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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Aber ...«
    Tränen liefen über ihre Wangen.
    »Jetzt sprichst du endlich aus, was mich schon so lange quält«, sagte Marie.
    »Ich weiß, mein Mädchen. Ich weiß.«
    »Meinst du denn, das will ich auf Dauer entbehren?«, sagte sie. »Die kleinen Arme? Den warmen Geruch? Das Lachen? Alle haben sie Kinder, alle – nur ich nicht. Was hab ich verbrochen, Vater, dass Gott mich so bestraft?«
    »Seinen Willen zu beurteilen steht uns Menschen nicht an«, erwiderte er. »Du weißt, dass ich den Zufall hasse. Und mich immer gegen blinde Schicksalsergebenheit aufgelehnt habe. Aber Zufall und Schicksal existieren. Und sich dagegen aufzulehnen bringt nichts als Kummer. Natürlich kann ich deine Sehnsucht verstehen, Marie!«
    Er suchte ihren Blick.
    »Doch ein Kind zur Welt zu bringen ist keine Garantie für ewiges Glück. Kinder können krank werden. Manche sterben schon in der Wiege, noch bevor sie laufen lernen. Sie werden dir durch Krieg genommen. Oder sie verlassen dich. Es mögen andere Schmerzen sein als die, die du jetzt fühlst – aber sind sie deshalb geringer?«
    Pankraz legte ihr den Arm um die Schultern. Er spürte, wie sie schluchzte, konnte die zarten Knochen unter dem Kleid fühlen.
    »Das ist doch nichts als ein billiger Trost«, stieß sie hervor. »Und das weißt du ganz genau!«
    Was konnte er tun, um sie glücklich zu machen? Es lag nicht in seiner Macht. So schwer es auch einzusehen war.
    »Und du weißt, dass ich so falsch damit nicht liege. Warum freundest du dich nicht mit dem Gedanken an, dass es vielleicht nicht deine Bestimmung ist zu gebären – und du trotzdem ein glückliches Leben haben wirst?«
    »Das kann ich nicht«, flüsterte Marie. »Verlang das nicht von mir!«
    »Nicht meinetwegen«, sagte Pankraz. »Deinetwegen, mein Mädchen!«
    Sie machte sich plötzlich frei und wischte die Tränen mit dem Ärmel weg.
    »Ich will nicht heulen«, sagte sie. »Ich hasse mich, wenn ich so schwach bin. Und schwanger wird man davon bestimmt nicht!«
    Die Tür sprang auf. Selina polterte ins Zimmer.
    »Ich sterbe gleich vor Hunger. Wann gibt es endlich Mittag ...« Sie verstummte, als sie Pankraz sah, drehte sich auf dem Absatz um und war wieder verschwunden.
    Marie zog die Schultern hoch.
    »So geht es jetzt alle Tage«, sagte sie. »Für kurze Zeit habe ich geglaubt, etwas hätte sich geändert, aber das war wohl nur ein Wunschtraum. Seit Simon fort ist, ist es besonders arg geworden. Nicht einmal Veit wird noch mit ihren Launen fertig. Jetzt schreit er sie schon an. Als ob das etwas nützen würde, wo sie ihn doch nicht einmal hören kann!«
    »Und du?«
    »Ich? Ich hab es längst aufgegeben.«
    »Du sehnst dich nach einem Kind«, sagte Pankraz. »Du träumst Tag und Nacht von nichts anderem. Aber du hast doch bereits ein Kind, Marie! Ein großes, schönes Mädchen.«
    »Hast du mir nicht gesagt, dass sie mich niemals als Mutter akzeptieren wird? Du hast Recht gehabt. Ich hätte dir glauben sollen, damals schon.«
    »Aber da hab ich sie kaum gekannt. Ich finde, sie hat sich verändert. Selina kann so freundlich sein, so klug ...«
    »... und ebenso verschlossen und verletzend. Sie lehnt mich ab. Manchmal denke ich sogar, sie hasst mich. Und daran wird sich nichts ändern, egal, was ich versuche. Lassen wir es einfach, wie es ist, Vater. Selina bleibt Veits über alles geliebte Tochter – und ich kann froh sein, wenn ich irgendwie damit zurechtkomme.«

    Verona war die schönste Stadt, die Simon je gesehen hatte. Alles zog ihn in Bann – Plätze, Gebäude, vor allem aber die Menschen. Sie hatten nur wenig gemein mit den quirligen Neapolitanern, die alles lautstark auf der Straße ausmachten. Aber sie waren auch ganz anders als die Bamberger, die ihm von Anfang an zurückhaltend und misstrauisch erschienen waren. Hier fand vieles draußen, das meiste jedoch in den Häusern statt, prächtigen Gebäuden, kleinen Palästen nicht unähnlich. Und nachdem ihm beinahe mühelos der Zutritt gelungen war, fühlte er sich dort so wohl, dass er Verona am liebsten gar nicht mehr verlassen hätte.
    Sein Türöffner war Friedrich Rose gewesen, ein Tuchhändler aus Mainz, für den die Stadt an der Etsch zur zweiten Heimat geworden war. Sein Italienisch war elegant; manchmal kam Simon sich neben ihm fast wie ein Bauer vor. Kennen gelernt hatte er Rose in einer Schenke nahe der Piazza dell’Herbe. Bereits am zweiten Abend nahm er ihn mit zu einer Versammlung in der Casa di Mercanti und stellte ihn dort allen

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