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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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geht nicht.« Selinas Stimme war hoch und schrill. Lenchen sah sie ängstlich an. »Aber einen Teil – meinetwegen. Es ist ein unterirdischer Gang, der zu einem Schatz führt.«
    Hatte sie schon zu viel verraten? Plötzlich war Selina unsicher. Aber Kuni brachte sie immer dazu, Dinge zu sagen oder zu tun, die sie eigentlich gar nicht wollte.
    »Was für ein Schatz? Steine?«
    Sie hörte nicht auf! Selina blieb nichts anderes übrig, als noch einmal zu antworten.
    »Nicht nur. Auch Fässer.«
    »Fässer?« Kuni schüttelte verständnislos den Kopf. »Was sollen wir mit Fässern?«
    »Mensch, Kuni, sie meint Bier! Weißt du denn nicht, wer ihr Großvater ist? Pankraz Haller vom Storchenbräu!« Die Aufregung hatte Lenz’ Wangen gerötet.
    »Ja«, sagte Selina, glücklich, wie gut sie ihn wieder einmal verstanden hatte. »Er ist mein nonno ! Er beliefert sogar den Fürstbischof.«
    »Gut«, sagte Kuni schließlich, die nicht wusste, wer oder was ein nonno war, sich aber lieber die Zunge abgebissen hätte, als ausgerechnet die Taube danach zu fragen. »Meinetwegen. Doch wir kehren um – wenn ich es sage. Hier wird nämlich gemacht, was ich sage. Falls du es noch nicht gemerkt haben solltest.«
    Selinas Lippen kräuselte ein schmales Lächeln. »Du musst noch Geduld haben. Denn heute wird nichts daraus.«
    »Schade!«, rief Toni ganz aufgeregt. Wenn er Selina nicht aus den Augen ließ, würde er bestimmt herausfinden, ob sie wirklich mit jenen schrecklichen Dingen in Verbindung zu bringen war, von denen der Weihbischof gesprochen hatte. »Wann denn? Morgen?«
    »Mal sehen. Irgendwann. Ich sage euch, wenn es so weit ist.«
    Selinas Lächeln vertiefte sich, als sie Lenz und Kaspar eifrig nicken sah. Sogar Kuni fiel offenbar nichts mehr Gemeines ein. Um die Kleine würde sie sich später kümmern. In ihrem Bauch war es ganz warm geworden. Geträumt hatte sie schon davon. Viele, viele Male! Aber erst jetzt spürte sie, wie gut Macht sich anfühlte.

    Das Leben war schwieriger geworden, seit er zum Hoflieferanten des Fürstbischofs bestellt worden war. Pankraz Haller war nicht wirklich überrascht, denn Fuchs von Dornheim galt bekanntermaßen als anspruchsvoll und überkritisch. Auch mit dem Neid der anderen Brauer, die ihn plötzlich übersahen oder auffällig seine Nähe suchten, hatte er gerechnet. Mehr zu schaffen machte ihm die eigene Ungeduld, die er gegenüber seinen Gesellen und Lehrlingen an den Tag legte. Natürlich nützte es nichts, sie anzubrüllen und damit zwingen zu wollen, schneller und gleichzeitig sorgfältiger zu arbeiten, und dennoch tat er es immer wieder. Es quälte ihn, dass er sich nicht beherrschen konnte, denn er wusste, dass sein Bier dadurch nicht besser wurde, sondern eher schlechter. Aber etwas brannte in ihm, das ihm keine Ruhe ließ, eine heiße, ehrgeizige Flamme, die umso heller leuchtete, je mehr er sich anstrengte, keine Fehler zu machen.
    Dabei ging schon seit einiger Zeit alles schief, was nur schief gehen konnte. Begonnen hatte es bereits bei der ersten Lieferung. Natürlich hatte Pankraz Haller es sich nicht nehmen lassen, das Abladen der Fässer vor Schloss Geyerswörth selber zu beaufsichtigen. Trotzdem war das erste Fass vom Wagen gefallen und zerborsten. Dem spitznasigen Kämmerer, der mit dem Hofastrologen den Vorgang beobachtete, gelang es gerade noch, sich mit einem Satz in Sicherheit zu bringen. Damian Keller jedoch war von oben bis unten mit Bier bespritzt. Er machte gute Miene zum feuchten Spiel, zumindest solange Haller daneben stand. Aber er konnte sich schon jetzt lebhaft vorstellen, was er dem Fürstbischof berichten würde.
    Kurz darauf stellte sich heraus, dass drei Fässer ungenießbar waren; sie verströmten einen stechenden Pechgeruch, nachdem man sie angezapft hatte. Die hohen Herren vom Domkapitel mussten bei ihrer Festlichkeit auf Wein ausweichen und lästerten ausgiebig. Und der ehrgeizige Braumeister, den man mit deutlicher Häme umgehend davon in Kenntnis setzte, wäre am liebsten in Grund und Boden versunken.
    »Eine Unglückssträhne, die sicherlich bald vorbei ist«, tröstete ihn Marie, zu der er seinen Kummer trug. »Mach dir nichts daraus. Storchenbier ist und bleibt das beste!«
    Sie empfing ihn in der Stube, die sie gerade zusammen mit der Göhlerin geputzt hatte. Die Fenster leuchteten vor Sauberkeit. Der Boden war noch feucht. Sie hatte die massive Truhe an die andere Wand geschoben, Tisch und Stühle näher zum Licht gerückt. Er konnte das

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