Die Hüterin der Wölfe (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
dass er bestimmt trotzdem immer für sie da sein würde. Und nun das. Aber Minoo fand die Schilderungen der Ereignisse nicht ganz schlüssig. Die Sippe war aufgebracht und viele hatten sich dafür ausgesprochen, die Wölfin zu verjagen oder sogar zu töten. Auch die Jäger hatten schließlich entschieden, das gefährlich gewordene Tier lieber nicht am Leben zu lassen. Kittoo hatte aber das endgültige Urteil noch nicht gefällt, als Pinaas Flucht bekannt wurde. Aber alle - auch Pinaas Vater Tanoo und Minoos Eltern - waren sich einig, dass die Wölfin Anatoo verletzt hatte und somit ein weiteres Zusammenleben unmöglich geworden war. Minoo indes teilte zwar die Ansicht, dass es kaum ein anderes Tier gewesen sein konnte, das Anatoo gebissen hatte, fragte sich aber nach dem wahren Grund für diesen plötzlichen Angriff. Er hatte die Wölfin nicht als schreckhaft kennengelernt, so dass sie beim Heulen eines anderen Wolfes gleich durchdrehen würde. Sie hatte Anatoo als Mitglied des Rudels mit höherer Stellung anerkannt, das hatte man spüren können. Zudem fragte sich Minoo, wieso die Wölfin an diesem Tag nicht mit Pinaa mitgegangen war. Anatoo ging es besser, er konnte den Arm aber noch nicht wieder gebrauchen. Minoo besuchte ihn in seiner Hütte und hörte sich den ganzen Vorfall aus seiner Sicht an. Anatoo sparte dabei nicht mit bösen Kommentaren zu Pinaa und besserwisserischen Tiraden, aber hinter all dem spürte Minoo auch Verzweiflung. Anatoo hatte Angst. Angst, dass der Arm nie wieder funktionieren würde. Es war nicht der Messerarm. Aber man brauchte ihn zum Bogen spannen. Überhaupt brauchte man zwei gesunde Arme, um Hütten zu bauen und Fallen und Werkzeuge und zum Tragen von Holz und Vorräten. Und ein Beschwörer mit einem zerstörten Arm? Ein Anführer mit nur einem Arm? Das konnte sich Minoo auch nicht so recht vorstellen. Auch wenn er das Gefühl nicht los wurde, dass Anatoo nicht die Wahrheit sagte und selbst wenn er an seinem Schicksal selbst schuld war, tat er ihm leid. Ein Mann mit nur einem Arm würde es nie leicht haben.
Er besuchte Pinaas Vater Tanoo und sprach lange mit ihm über den Vorfall und seinen Verdacht. Er konnte ihn aber nicht überzeugen. Zudem musste er sowieso handfeste Beweise finden, um die Sippe und vor allem Kittoo zu überzeugen. Und es gab momentan keine Möglichkeit, Pinaa und die Wölfin aufzustöbern. Minoo trat enttäuscht vor die Hütte und blickte auf den dichten Wald. Wo war Pinaa jetzt? Ging es ihr gut?
Asha kümmerte sich rührend um Pinaa und die Wölfin. Sie war offenbar sehr froh, nicht mehr allein zu sein, sich um jemanden kümmern und ihre Überlebenstaktiken weitergeben zu können. Die Tage vergingen wie im Flug. Asha zeigte Pinaa, wie die Masken geschnitzt wurden und versuchte, ihre Nützlichkeit bei der Jagd zu verdeutlichen. Sie brachte ihr bei, wie man Spuren fand und las, wie man Fallen baute und aufstellte, Beute anlockte oder verfolgte und Vorratslager errichtete. Pinaa lernte, welche Hölzer man wie benutzte, trocknete und lagerte und wie eine Feuerstelle errichtet wurde. Zudem konnte ihr auch Asha noch einige Heilpflanzen aus ihrem Vorrat zeigen, die sie noch nicht kannte, unter anderem eine Blume mit vielen kleinen gelben langgezogenen Blüten, die gegen das Keuchen helfen sollte, was meist zusammen mit der Hitze Menschen sterben ließ. Dazu mussten Blüten mit heißem Wasser übergossen und einige Zeit stehen gelassen werden, dann trank man das Gebräu einige Male am Tag. Pinaa sog all dieses Wissen dankbar und gierig in sich auf. Bald fühlte es sich an wie eine neue Familie. Und doch musste sie immer öfter an ihre alte Sippe denken. Sie vermisste ihren Vater jeden Tag und fragte sich, wie er ohne sie zurechtkam. Meistens beantwortete sie sich diese Frage mit "Vermutlich besser.", merkte aber auch, dass das die für sie leichteste Antwort war. Auch Sanaa und Linaa fehlten ihr. Und natürlich Minoo.
Eines Tages bei Sonnenabstieg saßen Asha und sie zusammen in der Hütte und stellten eine neue Maske her. Die Wölfin lag auf Pinaas Fell und döste. Beim Schnitzen musste Pinaa wieder an Minoo denken. Das wäre das richtige für ihn, solche Arbeiten lagen ihm. Er würde bestimmt wunderschöne Masken herstellen. Asha legte unerwartet den Arm und sie und Pinaa merkte, dass sie angefangen hatte zu weinen. Schnell wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und konzentrierte sich wieder auf die Maske. Aber es ging nicht mehr und Asha wollte wissen, was
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