Die Hüterin der Wölfe (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
hatte bisher nur einmal einen wohl eher zufälligen Zusammenstoß mit einem Wolfsrudel gegeben, als Jäger und Wölfe der gleichen Beute nachsetzten. Oft jagten die Wölfe nachts, manchmal aber auch am Tag. Es war nichts Schlimmes passiert, die Wölfe hatten sich zurück gezogen und nach anderen Opfern gesucht. Im Grunde waren Wölfe der Sippe nicht gefährlich, denn die Sippe hatte genug Jäger und viele gute Waffen, um sich zu verteidigen. Das schienen die Wölfe auch zu wissen. Aber sie waren Nahrungskonkurrenten und in kargen Zeiten wollten die Männer nicht auch noch mit Wölfen um die Beute kämpfen. So vertrieben sie sie manchmal, wenn es möglich war. Aber es gab immer einige Wölfe, manchmal kleine Rudel oder einzelne Tiere, die sich in der Nähe des Lagers aufhielten. Ihr Heulen konnte man oft in der Dämmerung hören.
„Träumst Du wieder?“ schreckte sie Minoos Stimme aus den Gedanken. Er hatte sich neben sie gesetzt. Seine nackten Füße berührten den Boden. Er war zwei Winter älter als Pinaa. Minoo war schon recht groß und stark und ging mit den Männern auf die Jagd. Er konnte gut mit Pfeil und Bogen umgehen, baute diese Geräte aber lieber, anstatt mit ihnen zu jagen.
Bald würde er ein vollwertiger Jäger sein. Wie bei Anatoo kam bald die Zeit seiner Einführung in die Männerwelt. Dann würden sie in den Kreis der Jäger aufgenommen werden, mehr Zeit mit ihnen verbringen und an Entscheidungen beteiligt sein. Und er durfte sich dann eine Frau nehmen. Eine Familie gründen. Das musste er sogar, um den Fortbestand der Sippe zu sichern. Es konnte auch eine Frau aus einer anderen Sippe sein. Pinaa fürchtete sich vor dieser Zeit. Sie würden sich dann kaum noch sehen. Sicher, auch sie hatte ihre Pläne und Vorstellungen von ihrer Zukunft. Aber trotzdem brauchte sie ihren Freund.
„Von dem Wolf?“ Sie schüttelte den Kopf. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Doch. Naja. Ein bisschen.“ gestand sie. „Du darfst dir nicht zu viel Hoffnung machen.“ sagte er. „Es war bestimmt eine starke Vision, aber vielleicht muss man sie anders deuten.“ „Was meinst du?“ fragte Pinaa. Minoo nahm sanft ihre Hand. „Ich meine, vielleicht wollten dir die Ahnen etwas mitteilen. Vielleicht, dass du stark wie ein Wolf sein musst. Vielleicht auch, dass nur jemand, der einen Wolf erlegt hat, Beschwörer werden kann. Aber eben nicht unbedingt, dass ein Wolf zu dir als magischer Begleiter kommen wird.“
Sie überlegte eine Weile. Er sah sie an. Ihre großen dunklen Augen. Fühlte ihre weiche Haut. Wenn sie ihn doch auch nur einmal so ansehen würde. Aber Pinaas Gedanken waren wie so oft ganz bei ihren Zielen und Träumen. „Ja, das kann sein.“ sagte sie schließlich. „Kittoo hat auch manchmal Visionen voller Bilder, die nur Botschaften sind und keine Voraussagen über Ereignisse.“ Sie seufzte. „Ich kann mir ja selbst nicht vorstellen, dass ein Wolf an meine Seite kommt. Ein echter wilder Wolf.“ Sie drückte seine Hand. „Ich wünsche mir nur so sehr, dass es doch wahr wird.“
Kapitel 2 – Freunde und Verlierer
Die Sippe bestand aus sieben Familien. Der Beschwörer und Anführer Kittoo, seine Frau, sein Sohn Anatoo und zwei jüngere Töchter.
Und die sechs Jäger:
Setanoo und seine Frau, Ihr älterer Sohn Battoo, ein Freund Anatoos, und seine Schwester Renaa.
Minoos Vater mit seiner Frau Sanaa, Minoo und seiner jüngeren Schwester Linaa.
Pinaas Vater Tanoo und seine Tochter.
Katanoo mit Frau, dem älteren Sohn Menoo, dem jüngeren Ibanoo und einer kleinen Tochter.
Lenoo mit Frau und Sohn.
Sketoo mit seiner Frau Ilanaa, der noch ungebundenen Schwester Ilaa, dem Vater Nonoo und einem nicht einmal einen Winter alten Söhnchen.
Es wurden mehr Kinder von den Frauen zur Welt gebracht, aber einige überlebten die ersten Mondzyklen nicht.
Die Rollen waren klar verteilt und das Überleben der Sippe hing davon ab, dass sich jeder mit ganzem Herzen und ganzer Kraft seiner Aufgabe annahm.
Die Männer waren dafür zuständig, sichere Lagerstätten zu finden, die Ausrüstung auf- und abzubauen und für die Fleisch- und Fisch-Verpflegung der Sippe zu sorgen. Auch waren sie für die Sicherheit aller Familien verantwortlich. Sie mussten ein Gespür für Gefahr haben und wissen, ob und wann man Frauen und Kinder allein im Lager lassen konnte. Zudem beherrschte jeder ein oder mehrere Fertigkeiten, die er an die Kinder und jungen Männer weitergab – das Fertigen von Werkzeugen oder Waffen, das
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