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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Seine Lippen beteten lautlos. Alle wollten natürlich sehen, wie Savonarola den Tod seines Gefährten aufnahm. Er stand stumm und starr, er wollte als Märtyrer in die Geschichte eingehen, wie er es immer verkündet hatte. Angelina wollte das Furchtbare nicht sehen, sie blickte zu Boden. Francesco drückte ihren Arm. Angelinas Mutter und die anderen starrten wie gebannt auf das Schauspiel. Im letzten Augenblick hob Angelina den Kopf und sah, wie der Scharfrichter Silvestro von der kleinen Plattform stieß. Ein Stöhnen ging durch die Anwesenden. Silvestros Körper zuckte, ein Gurgeln kam aus seiner Kehle. Mit einem Knacken brach das Genick. Der Tote baumelte noch eine Weile am Strick. Domenico folgte ihm die Leiter hinauf. Auch er betete still, würdig ging er in den Tod und hing nun neben Silvestro.
    Savonarola tat seinen letzten Gang in diesem Leben. Auch wenn die Menge atemlos auf ein Zeichen von ihm wartete, segnete er sie nicht und sprach auch nicht mehr. Er kletterte in seiner Unterkleidung, ohne Schuhe, die Leiter hinauf. Kaum war ihm die Schlinge um den Hals gelegt, als auch schon der Scheiterhaufen entzündet wurde. Die Flammen züngelten empor, es knisterte und knackte. Der Rauch erreichte die drei hängenden Gestalten.
    |381| Ob wohl Botticelli dem Aufruf des Großen Rates Folge geleistet hatte? Würde er sich den Tod seines verehrten Meisters und seiner Gefährten mit ansehen? Angelina konnte ihn nirgends entdecken. Das Feuer hatte die toten Körper erreicht, zischend griffen die Flammen nach der Kleidung. Es roch nach verbranntem Fleisch. Angelina wurde übel. In jähem Erschrecken sah sie ein anderes Feuer vor sich. Es hatte genauso nach verbranntem Fleisch gerochen. War es die Hölle gewesen, die sie im Traum heimgesucht hatte? Sah sie den Leibhaftigen, der ins Fegefeuer gestoßen worden war und um den die anderen Teufel herumtanzten? Angelina hatte das Gefühl, selber innerlich zu verbrennen. Der Glutatem des Feuers wehte zu ihr herüber. Ein stechender Schmerz begann auf ihrer Brust zu klopfen, als bohre jemand eine glühende Nadel hinein.
    Der Benediktuspfennig! Den hatte sie fast vergessen. Sie zog ihn an seiner Kette heraus und betrachtete ihn kurz.
Vade retro, Satanas!
, stand darauf, weiche von mir, Satan! Angelina sah ein Zucken der rechten Hand des Priors. Es sah aus, als wolle er die Menge noch ein letztes Mal segnen. Die Menschen klatschten Beifall und schrien: »Tod den Ketzern!«, andere weinten oder standen still im Gebet versunken. »Ein Wunder, ein Wunder«, tönte es von überall.
    Aber Angelina sah noch etwas anderes. Am Fuß des Feuers machte sich ein Mensch zu schaffen, ein Mann in der Tracht der Dominikaner. Es war, als wolle er Savonarola aus den Flammen bergen. Angelina wusste, wer es war. Sie wollte zu dem brennenden Holzstoß rennen, wollte den Mann in die Flammen stoßen. Aber es war kein Durchkommen, die Menschen standen zu dicht beieinander. Eine ungeheure Erregung hatte sich aller bemächtigt. Francesco folgte ihrem Blick und flüsterte ihr ins Ohr: »Sobald sich die Menge ein wenig verlaufen hat, folgen wir diesem Mönch!«
    Der Mann wurde durch andere Mönche von Savonarola weggerissen. Sie schlugen auf ihn ein. Die Menge, besonders die Frauen, setzten sich in Bewegung. Sie strömten nach vorn, wollten sich Knochen als Reliquien aus dem Feuer holen. Angelina und Francesco wurden mitgerissen. Angelina drehte sich um, sah ihre Familie |382| und Freunde ihr noch von ferne verzweifelt zuwinken. Als die Mönche und Bedienstete des Großen Rates versuchten, die Reliquiensammler zurückzudrängen, bemerkte Angelina, dass der Mönch floh. Francesco nahm sie an der Hand, und sie folgten dem Flüchtigen, so schnell sie konnten.
    »Er wird zum Kloster San Marco laufen«, rief Angelina Francesco zu. Immer wieder versperrten warme, verschwitzte Leiber ihren Weg, Angelina blickte in weit aufgerissene, verklärte Augen. Schließlich kamen sie in eine Gasse, in der sich kaum noch Menschen aufhielten. Domenians Schritte trappelten vor ihnen auf dem festgestampften Boden. Er selbst war wie ein Schatten, der an den Mauern entlanghuschte und zielsicher in die Richtung des Klosters San Marco lief. Francesco und Angelina folgten ihm in gebührendem Abstand. Der Mann drehte sich nicht um und hielt in seinem Lauf nicht inne. Angelina betete darum, dass er sie nicht bemerkt hatte. Außer Atem kamen sie beim Kloster an. Der Mönch war verschwunden. Das Kloster wirkte völlig verlassen.

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