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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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angebliche Offenbarungen verkündet, um sich Ansehen zu verschaffen und einen guten Namen zu machen. Schmerz füllte die Seelen seiner Anhänger, das von Savonarola errichtete Gebäude zu Boden fallen zu sehen, denn es war auf einer Lüge aufgebaut.
    Am 25. April waren die Verhöre der Stadtregierung abgeschlossen. Domenian besuchte seinen Herrn nicht mehr, er war untergetaucht. Aber er ließ ihm durch einen Boten Nahrungsmittel und Arzneien zukommen, schickte ihm auch einen Bader, der sich um seine Wunden kümmerte, die der Scharfrichter nicht versorgt hatte. Nach kurzer Zeit untersuchten die geistlichen Instanzen den Fall. Savonarola saß in seiner Zelle, von allen verlassen, mit Schmerzen und in tiefer Verzweiflung. Aber er hatte es ja kommen sehen. Am 19. Mai trafen päpstliche Kommissare in Florenz ein. Sie hatten den klaren Auftrag von Papst Alexander VI., Savonarola zu Tode zu bringen.
    ›Sterben muss er‹, hatte der Papst gesagt. In den nächsten Tagen erfolgten weitere Verhöre. Obwohl niemand etwas Ketzerisches an ihm finden konnte, sollten er und seine Gefährten Domenico da Pescia und Silvestro Maruffi schon am folgenden Tag sterben.
    Der Morgen des 23. Mai 1498 zog strahlend herauf. Die Vögel sangen, und die Menschen waren in einer erwartungsvollen Stimmung. Der Große Rat hatte alle Bürger von Florenz aufgefordert, an der Hinrichtung teilzunehmen. Schon früh wurde auf der Piazza della Signoria ein hölzernes Gerüst mit einer Art Bühne aufgerichtet. |379| Auf diesem Laufsteg sollten die Gefangenen zum Galgen und dem darunter befindlichen Holzstoß geführt werden.
    Angelina hätte sich das Ereignis lieber nicht angesehen, aber ihre Eltern drängten sie so lange, bis sie sich dazu bereit erklärte. Als sie mit ihren Eltern und Geschwistern zur Piazza della Signoria ging, strömten Hunderte von Florentiner Bürgern mit ihnen zu dem Platz. Wie bei den vergangenen ›Fegefeuern der Eitelkeiten« und der Feuerprobe war die Piazza dicht gedrängt mit Menschen. Eben hatten sie noch mit Savonarola gebetet, geweint, seine Gebote befolgt, nun würden sie sich an seiner Hinrichtung weiden. Die Menschen folgten immer nur dem, der Erfolg für sie versprach, sei es im Himmel oder auf der Erde. Die Sonne schien inzwischen durch einen Schleier von Wolken, es war drückend schwül. Angelina entdeckte Francesco in der Menge, und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Er stand bei Rinaldo, Pallina, Gratiosa und Verena. Francesco kämpfte sich zu ihr durch und stellte sich so dicht neben sie, dass ihre Körper sich berührten.
    »Du bist bei meinen Eltern gewesen, habe ich gehört?«, flüsterte sie ihm zu.
    »Ja, ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, gab er leise zurück.
    Sie tastete vorsichtig nach seiner Hand. »Du hast mir gefehlt.«
    Er lächelte. »Wenn das hier vorüber ist, helfe ich dir, diesen Priester dingfest zu machen!« Er drückte ihre Hand.
    Einzelne Ausrufe wurden in der Menge laut. Savonarola, Silvestro Maruffi und Domenico da Pescia erschienen in der Tür des Palazzos, von Priestern und Mönchen eskortiert. Zwei Dominikanermönche nahmen ihnen den Ornat ab. Die drei mussten barfuß und in Unterkleidung auf das Gerüst steigen. Zwei Stunden lang dauerte die Prozedur des Degradierens, in umgekehrter Reihenfolge der Weihegrade des Ordens. Zunächst wurden Daumen und Zeigefinger der Delinquenten, mit denen sie normalerweise den Segen erteilten, mit einem Messer abgeschabt, und dann die Tonsuren vollkommen rasiert. Die Leute begannen unruhig zu werden. Kinder quengelten. Inzwischen war es ein Uhr mittags geworden. |380| Die päpstlichen Kommissare erklärten die drei der Ketzerei, der Kirchenspaltung sowie der ›Predigt neuer Dinge‹ für schuldig und verkündeten sogleich das Urteil: Tod durch Hängen, und danach sollte sofort die Verbrennung erfolgen.
    Angelina hielt es kaum noch an ihrem Platz aus. Sie wollte weg, wollte mit Francesco an den Arno gehen, einfach nur seine Hand halten und mit ihm sprechen. Er würde ihr gewiss keinen Stein mehr in den Weg legen, dazu hatte er sie zu sehr vermisst, das wusste sie. Aber Angelina stand eingekeilt zwischen Francesco, ihrer Mutter und den Umstehenden. Sie roch den Schweiß der Menschen, hörte ihre anfeuernden Reden. Jetzt reckten sich die Hälse, Väter hoben ihre Kinder auf die Schultern, damit sie besser sehen konnten.
    Silvestro Maruffi kletterte als Erster die Leiter zum Galgen hinauf. Der Scharfrichter folgte ihm und legte ihm die Schlinge um den Hals.

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