Die Hure Und Der Moench
ihr Feind, schon immer gewesen. Und es hatte keinen Sinn mehr, weiter vor ihm zu fliehen. Sie musste ihn aufhalten. Sie musste |375| ihn aus der Reserve locken und stellen, damit diese Pein ein Ende hatte. Sie hatte recht getan, in den Dom zu kommen.
Jetzt wollte sie es wissen. Sie ließ sich vom Mesner einen Beichtstuhl zuweisen mit der Bitte, nach Pater Domenian zu schicken. Nachdem die üblichen zeremoniellen Worte gesprochen waren, holte Angelina tief Luft und sagte geradeheraus: »Ich weiß, was du getan hast, Domenian, und ich werde nicht ruhen, bis du deine gerechte Strafe erhalten hast!«
Angelina hörte wieder dieses scharfe Geräusch, mit dem er seinen Atem ausstieß. Sie wartete nicht ab, bis er ihr eine Antwort gab, sondern stürzte aus dem Beichtstuhl hinaus. Fort, nur fort, weg von diesem Ungeheuer in Menschengestalt! Sie musste ihn bei der Signoria anzeigen! Hinter sich hörte sie schnelle Schritte und spürte starke Männerhände um ihren Hals. Angelina versuchte um Hilfe zu schreien, aber es kam nur ein ersticktes Gurgeln heraus. Sie wurde hinter eines der Grabmale gedrängt. Da er sie von hinten umklammert hielt, konnte sie sein Gesicht nicht sehen. Sie wollte sich losreißen, trat um sich, strampelte und riss an seinem Gewand, doch der Würgegriff wurde nur immer noch fester. Die wenigen Menschen im Dom waren zu weit entfernt, um etwas zu bemerken. Angelina dachte, er würde sie umbringen, sie bekam keine Luft mehr, ihr schwanden die Sinne, vor ihren Augen wurde es dunkel.
Dann ging alles ganz schnell. Sie hörte ferne Rufe, eilig heranhastende Menschen, wurde hin- und hergerissen, wütende Schreie Domenians, das Geräusch sich entfernender Schritte. Vor ihr standen Venduti und ihr Vater, Signor Girondo. »Das war aber eine Rettung in letzter Sekunde!«, stellte Tomasio außer Atem fest. »Was wollte dieser Priester von Euch? Wollte er Euch umbringen?«
»Ja, er wollte mir ans Leben«, brachte Angelina mühsam hevor. Sie keuchte. »Herr Vater, das war der Mann, der für die ganzen Morde verantwortlich ist! Ich weiß es genau, ich schwöre es Euch!«
»Gleich morgen werde ich zur Signoria gehen und eine Anzeige machen«, meinte ihr Vater beruhigend. »Jetzt bringen wir dich |376| erst einmal nach Hause, Angelina. Und wir wollen Signor Tomasio danken, dass er dir das Leben gerettet hat. Er war es, der dich gleich entdeckt hat, als wir eintraten!«
Sie verließen den Dom gemeinsam. Die Nachmittagssonne leuchtete Angelina ins Gesicht.
»Wie kamt Ihr eigentlich hierher, Signor Venduti?«, wollte Angelina wissen.
»Ich begleitete Euren Herrn Vater zum Dom. Er hatte mich darum gebeten.«
»Es ist ein guter Ort, um Geschäfte zu besprechen, Angelina«, sagte ihr Vater.
»Ich danke Euch, Signor Venduti, dass Ihr mich schon zum zweiten Mal gerettet habt«, sagte Angelina. »Aber ich muss Euch etwas fragen.«
»Ich wollte auch noch etwas von Signor Venduti wissen«, setzte ihr Vater hinzu.
»Dann fragt«, meinte Venduti lächelnd.
»Warum habt Ihr mir damals erzählt, meine Eltern hätten mich verstoßen?«
»Ja, und wieso habt Ihr uns gesagt, unsere Tochter wolle nicht mehr heimkehren?«, ergänzte Angelinas Vater.
Tomasio hielt inne und wurde über und über rot. Er sah aus, als wolle er gleich vor ihr und ihrem Vater auf die Knie gehen. Er räusperte sich.
»Es war meine übergroße Liebe zu Euch, Angelina, die mich dazu getrieben hat«, murmelte er. »Ich habe es nicht ertragen, was für schöne Augen Ihr dem Maler Francesco gemacht habt!«
Ihr Vater hüstelte. In Angelina stieg eine ungeheure Wut hoch.
»Wisst Ihr, wie schwer Ihr mir das Leben gemacht habt?«, fuhr sie ihn an. »Warum nur richtet alle Welt über mich, obwohl ich gar nichts getan habe?«
Tomasio schaute sie betreten an, sein Augenlid zuckte wie ein Schwarm Kaulquappen. »Aber Angelina …«
»Nein, ich mag nichts mehr hören«, gab sie zornig zurück.
|377| Er zog sein Barett, drehte sich um und ging in der entgegengesetzten Richtung davon.
»Aber Angelina, so behandelt man doch nicht seinen Lebensretter«, tadelte ihr Vater sie.
»Der Mann ist so falsch wie eine Schlange!«, sagte sie erhitzt. »Und nie will er schuld an irgendetwas sein!«
|378| 49.
Nach mehrtägiger Folter brach Savonarola zusammen. Mit gebrochenen Gliedmaßen und zitternder Hand unterschrieb er das vierundzwanzig Seiten starke ›Geständnis‹, das später im Saal des Großen Rates verlesen wurde. Er sei nie ein Prophet gewesen und habe
Weitere Kostenlose Bücher