Die Hure Und Der Moench
Eltern an einen reichen Tuchhändler hatte verheiratet werden sollen. Ihr blickte eine verführerische Frau entgegen, mit einem abgründigen, dämonischen Ausdruck in den Augen. So also hatte Francesco sie gesehen und das auf die Leinwand gebannt. Warum hatte sie sich bisher das Bild nie genauer angesehen? Hatte sie es nicht wissen wollen? Was hatte sie nicht wissen wollen? Dass es ein Teil von ihr war, und dieser Teil war in sündigem Verlangen entbrannt. Doch war dieses Verlangen wirklich sündig? Angelina zitterte innerlich, aber sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und fragte:
»Bist du nicht auch ein Sünder, Domenian, indem du dieses Bild an dich genommen, vielfach getötet hast, und bist du nicht ebenfalls wollüstig, wenn du mich begehrst?«
Domenian trat einen Schritt zurück und warf das Bild auf den Boden.
»Wie kannst du so sprechen, Angelina?«, schrie er. »Zeigst du nicht wenigstens einen kleinen Anflug von Reue?«
»Wie soll ich etwas bereuen, das ich gar nicht getan habe?«, fragte sie mit dem Mut der Verzweiflung.
|429| »Frauen sind von Grund auf verderbt und böse«, wiederholte Domenian. »Sie dringen wie ein Stachel in das Fleisch des Mannes und bringen sein Blut in Wallung. Mein Herr hat das erkannt, andere haben es erkannt. Es ist meine heilige Aufgabe, sein Werk, Savonarolas Lebenswerk, fortzuführen und zu vollenden! Die Vereinigung mit dir ist die Vorbedingung für das ewige Heil, das du im Feuer erfahren wirst. Dann wirst du von allen Sünden frei und bereit für das Himmelreich sein.«
Angelina glaubte, ohnmächtig zu werden. Mit aller Macht versuchte sie sich bei Bewusstsein zu halten. Sie biss sich auf die Lippen, bis sie bluteten. Domenian holte einen Tiegel aus seinem Sack und begann, ihr die Stirn mit einer scharfen, aber wohlriechenden Salbe einzureiben.
Angelina erinnerte sich. So war es auch damals gewesen. Sie wollte sich wehren, bäumte ihren Körper auf, doch er hielt sie mit einer Hand fest, mit der anderen rieb er ihr die Schläfen, den Hals und den Brustansatz ein. Angelina glaubte zu träumen. Sie empfand einen ziehenden Schmerz, der sie gleichzeitig wohlig erschauern ließ. Schließlich rieb er die Innenseite ihrer Oberschenkel ein. Angelina flog diesmal nicht, es wurde dunkel, dann stand sie auf demselben Berg, den sie in den Nächten davor gesehen hatte. Diesmal waren keine Speisen aufgetischt, es gab keinen kühlen Wein in Glaskaraffen und schwarz schäumendes Bier. Überall krochen Kröten und Spinnen herum, es roch nach verfaultem Fleisch und nach Schwefel. Die Menge tanzte nicht mehr, sie weinte und wehklagte, zwischendurch stießen die Menschen grunzende Laute aus. Eine lange Reihe schob sich zu dem Gipfel hin, auf dem der Oberste erschienen war. Grässlich dröhnte Angelina das Pfeifen und Stöhnen in den Ohren. Als sie an die Reihe kam, beugte sie sich hinab und tat so, als küsse sie das rote Hinterteil.
»Willst du es wohl richtig küssen?«, kreischte es hinter ihr. Der Kopf wurde ihr herabgedrückt, zu dem Schrecklichen hingezwungen. Im letzten Augenblick legte sie ihre Hand zwischen ihren Mund und die rote Haut, denn sie war nicht mehr gefesselt. Es |430| rauschte, es war, als wenn etwas explodiere, Flammen schlugen empor, und mit einem gewaltigen Krachen öffnete sich der Schlund der Hölle. Gleich würde dieses Wesen sie umarmen, in sie hineinstoßen, sich mit ihr vereinigen, so dass sie auf ewig mit ihm verbunden bleiben würde. Das Wesen hatte kein Gesicht, da, wo es normalerweise sein sollte, war nichts als ein Schatten. Aus dem Schatten hob sich allmählich, in grässlichen Verzerrungen, das Antlitz Domenians heraus und war schließlich, von Schwefeldampf umnebelt, der Leibhaftige selbst.
Francesco hielt sein Pferd an, als er sich weit genug vom Dorf entfernt hatte. Diesem Wirt und seinen widersprüchlichen Wegweisungen war nicht zu trauen. Francesco würde in einem Bogen um das Dorf herumreiten und den Spuren des Wagens folgen, mit dem Domenian davongefahren war. Er schlug eine andere Richtung ein. Der Weg führte durch unwegsames Gelände, war mit Brombeerbüschen und Disteln bewachsen. Schließlich erreichte er die Stelle nahe des Weinkellers, von der Domenian mit Angelina geflüchtet war.
Die Sonne war inzwischen höher gestiegen, Francesco schwitzte. Die Folgen seiner Verletzungen machten sich bemerkbar. Er musste sich immer wieder zusammenreißen, um den Schwindel und eine drohende Ohnmacht abzuwehren. Die Spur des Wagens führte ihn
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