Die Hure Und Der Moench
eine Zeitlang durch die Weinberge. Doch schließlich verlor sie sich. Er drohte vom Pferd zu fallen, so entkräftet war er. In der Ferne sah er eine bewaldete Kuppe. Ihm fiel etwas ein. Sandro Botticelli hatte einmal davon berichtet, dass in dieser Gegend ein Hügel sei, auf dem sich manchmal nachts der Teufel zeige und die Hexen mit ihm tanzten und buhlten. Francesco gab seinem Pferd die Sporen.
|431| 55.
Angelina fiel, sie fiel durch Schluchten, aus denen das Feuer loderte. Behaarte Teufel tauchten die nackten, bleichen Seelen in kochende Sümpfe. Angelina fiel immer tiefer, raste vorbei an schwarzen Spießen, auf welche die Köpfe von Menschen gespießt waren, die lautlos um Hilfe riefen. Immer höllischer wurde das Inferno, immer lauter das Getöse, immer dichter der Schwefeldampf, der ihre Sinne betäubte. Sie fiel in den tiefsten Schlund der Hölle. Und jetzt wusste sie es. Domenian war selbst der Teufel, den zu bekämpfen er vorgab. Beim ›Fegefeuer der Eitelkeiten‹ saß der Teufel auf der Spitze der Pyramide und wurde verbrannt, mit all dem, was vorher an ›Eitelkeiten‹ zusammengetragen wurde. In diesem Moment kam ihr die Erkenntnis: Mit Gewalt kann man den Teufel, kann man die Sünde nicht aus der Welt schaffen, weil man damit neue Sünde auf sich lädt. Es wurde heller um sie, sie flog auf der anderen Seite aus der Hölle heraus und landete sanft auf der Lichtung im Wald. Domenian kniete vor ihr, hielt sie mit den Armen umfasst und schaute sie mit Augen an, die verdreht waren und fast aus den Höhlen quollen.
»Ich habe dich gesehen!«, rief er mit krächzender Stimme. »Du hast mit dem Teufel gebuhlt, ich war dabei!«
»Ich habe gesehen, dass du selbst dieser Teufel bist, Domenian«, antwortete Angelina mit mehr Ruhe, als sie es sich zugetraut hätte.
»Vade retro, Satanas!«
, murmelte er und schlug das Kreuzzeichen. In sein Gesicht war ein Ausdruck des Abscheus getreten. »Die Zeit ist gekommen«, sagte er. »Ich werde jetzt zunächst den Leichnam Vendutis verbrennen und dich dann an diesem Baum«, er deutete in die Richtung einer alten Linde, »erhängen und dich gleichfalls ins Feuer stoßen.«
Angelina begann zu zittern. Sie glaubte immer noch zu träumen, |432| doch es war grausame Wirklichkeit. An dem Baum war eine Schlinge befestigt. Wie war es wohl, wenn man erhängt wurde? War denn niemand in der Nähe, um ihr zu helfen? Als hätte er ihre Gedanken gehört, bemerkte Domenian:
»Es wird niemand kommen, um dich zu retten, Angelina. Wir sind ganz allein auf der Welt.«
Angelina nahm ihren letzten Mut zusammen.
»Warum willst du mich töten, Domenian?«, fragte sie. »Nur, weil ich mit deinem Bruder getanzt habe?«
Domenian zögerte. Sein Gesicht zuckte vor Angst und Wut.
»Ihr seid dasselbe Pack gewesen wie meine Mutter«, stieß er schließlich hervor. »Ich habe sie immer verehrt und geliebt. Eines Tages, mein Vater arbeitete auf dem Feld und mein Bruder, der feine Herr, besuchte die Klosterschule in Florenz, schickte meine Mutter mich zum Zwetschgenpflücken. Hernach hieß sie mich, sie zu entsteinen, damit sie später Mus daraus kochen konnte. Dabei brach mir das Messer ab. Ich ging in die Küche, um ein anderes zu holen. Da hörte ich es. Aus dem Schlafraum kam ein Stöhnen. Ich schaute vorsichtig um die Ecke und sah sie in der Umarmung mit einem fremden Mann. Wie ein einziges Tier wälzten sie sich auf dem Strohsack. Ich hob das Messer und trat einen Schritt vor. Doch ich hatte nicht den Mut, ließ es wieder sinken und ging hinaus zu den Zwetschgen. Ich habe nie ein Wort über meine Lippen kommen lassen. Aber als mein Bruder nach Hause kam und wir bei dem Fest in Fiesole waren, habe ich euch gesehen, hinter einem Busch. Ihr wart im Begriff, die gleiche Sünde zu begehen wie meine Mutter mit ihrem Buhlen. Da habe ich zugeschlagen und euch zu dem Weinkeller geschafft, erst dich, dann ihn.«
Angelina erinnerte sich plötzlich an ein fernes, süßes Gefühl, das von tiefer Trauer erstickt worden war. Sie stöhnte auf.
»Hattest du denn keine Angst, dass dich jemand beobachtet?«, fragte sie aufgebracht.
»Die waren alle voll des Weines und mit den Frauen beschäftigt«, entgegnete Domenian. »Und ich erkannte, dass du eine Hexe bist, |433| dass der Teufel Besitz von dir und ihm ergriffen hatte. Jetzt kannst du bereuen, was dir damals nicht möglich gewesen wäre.«
»Aber ich habe nichts getan, was ich bereuen müsste! Du solltest bereuen, Domenian!«
»Es ist zu spät«,
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