Die Huren des Apothekers
beruhigte ihren hektischen Atem. Ihr
Geschick hatte sie gerettet, und genauso würde sie auch jetzt in
keine große Gefahr geraten, weil sie sich auf ihre Fähigkeiten
verlassen konnte. Außerdem war sie jetzt eine rechtschaffene
Bürgerin, deren ehrenwerter Gemahl im Nebenhaus auf sie wartete.
Ein Gemahl, der ihr die Hölle heiß machen würde,
wenn er wüsste, was sie hier trieb.
Wollte sie nun hinter das Geheimnis kommen oder
nicht? Sie konnte jederzeit umkehren und vor Neugier in ihrem
ehrenwerten Haus sterben. Luzia grinste und trat auf die nächste
Stufe in die Finsternis.
Das Pfeifen des Windes wurde mit der Zeit
schmerzhaft in den Ohren, auf denen ihre Haube lag wie über
Eiszapfen. Auch ihre Fingerspitzen fühlten sich klamm und
unbeweglich an. Sie steckte die Hände unter die Achseln, um sie zu
wärmen. Zwischen die Geräusche mischte sich etwas anderes, ein
Wispern. Fließendes Wasser? Unter ihren Fingerspitzen wandelte sich
die Backsteinmauer zu grob behauenem Felsen und ein Gewölbe
überdachte die Treppe. Schon wieder wurde sie an Amorbach erinnert,
wo eine Kapelle auf dem Keller einer geschleiften Burg errichtet
stand. Die vergangenen Erlebnisse, auch die zunehmende Kälte ließen
sie frösteln.
Erst unten angelangt merkte sie, dass nicht nur
Wasser murmelte, da jammerte auch eine Frau. Aber die Apothekerin
geisterte doch im Haupthaus herum! Sie wäre unmöglich an Luzia
vorbeigekommen, ohne dass sie es gemerkt hätte. Oder gab es ein
zweites Treppenhaus auf der anderen Seite des Anbaus, direkt neben
dem Gebärort? Auf jeden Fall hörte es sich nicht an, als ob Luzia
eine Gefahr drohte.
Um den Treppenabsatz herum lag ein etwas größerer
Raum, in dem leere Kisten gestapelt wurden. Von hier kam auch das
Plätschern des Wassers. Eine ergiebige Quelle mündete hier,
unterhalb des Hauses, die über einen Abfluss im Boden abgeleitet
wurde. Da das Wasser irgendwohin musste, gab es wohl einen Durchstich
zum Hang des Ortenbergs, der genug Raum ließ für den Luftzug, der
das gesamte Gebäude ungemütlich machte. Wie in einem Schornstein
zog der Wind den Bach entlang, durch diesen tiefen Keller und im
Dachgeschoss des Anbaus heraus. Dabei hätte es genügend
Möglichkeiten gegeben, den Luftstrom zu unterbrechen. Man hätte nur
die Tür oberhalb der Treppe, vor der Luzia gerade stand, abdichten
müssen.
Ein Lichtschimmer erhellte die Kisten so sehr,
dass Luzia sich dazwischen zurechtfinden konnte und nichts mit lautem
Gerappel umwarf. Das war nicht schwer, denn die Kisten lehnten an den
Wänden und dazwischen gab es genügend Platz, um den gemauerten
Bogen zu durchqueren, aus dem das Licht drang. Trotzdem verdoppelte
sie ihre Vorsicht, denn sie kam dem Gejammer immer näher. Sie
schaute sich um. Zur Not konnte sie in eine Lücke zwischen den
Kisten und der Nische unter der Treppe schlüpfen. Dort würde sie
niemand finden, wenn er sie nicht direkt suchte.
Auf Zehenspitzen schlich sie durch den Bogen und
fand sich in einem Gewölbe wieder, das sich unterhalb des gesamten
Anbaus und auch des Haupthauses erstreckte. Regelmäßig wurde ihr
Ausblick versperrt durch Stützsäulen, natürliche oder gemauerte,
zwischen denen halbhohe Bretterwände Räume abteilten, sodass ein
unübersichtliches Labyrinth entstand. Auch der Fußboden wies keine
Einheitlichkeit auf. Nach ein paar Schritten über Steinfliesen
führten einige Stufen herunter auf Sandboden, über den das Rinnsal
in einem aus Ziegeln gemauerten Bett floss. Ein weiteres Stück zur
Rechten hin stieg der Boden unter aufgelegten Brettern an und Nischen
zwischen dem Gewölbe verbargen ihren Inhalt in Dunkelheit. Links lag
ein Stück Lehmboden, bedeckt mit einem Lumpenteppich wie aus einem
Bauernhaus, ein bequem aussehender Sessel stand darauf, daneben ein
Tisch mit Stapeln von Büchern.
Das Licht drang hinter einer Bretterwand hervor,
die Luzia erst nach dem Passieren mehrerer Gänge erreichen würde.
Dort wollte sie zunächst noch nicht hin, zuvor suchte sie
Möglichkeiten, sich unauffällig zu bewegen und zu verstecken. Dazu
boten sich die Nischen rechts an.
Sand knirschte unter ihren Schuhen, als sie eines
der Bretter betrat. Es bewegte sich unter ihr, Luzia musste
sorgfältig ihr Gleichgewicht kontrollieren, damit es sich nicht
anhob und später mit lautem Knall zurückfiel. So schob sie sich
hochkonzentriert mit dem Blick auf den Boden gerichtet über den
Balken. Etwas streifte ihren Kopf. Luzia zuckte zusammen, duckte sich
und schaute hoch. Ein
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