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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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zu den Ausgestoßenen auf dieser Erde gehörte,
so hoffte er trotzdem auf die höhere Gerechtigkeit Gottes. Solche
Schufte wie die Kumpane Wendelins würde im nächsten Leben nicht das
Himmelreich erwarten. Wobei er Wendelin noch in Schutz nehmen wollte,
denn der wusste nicht einmal, wie böse er handelte. Wenn seine
Freunde ihn anstachelten, war es für ihn eine ganz normale Arbeit.
    Frank ging ein paar Schritte in den Wald hinein
und tauschte sein auffälliges Henkersgewand gegen den billigen Anzug
eines Bauern aus, wie er es schon die Tage vorher getan hatte. Auch
das widersprach dem Gesetz, denn jeder, der mit einem Henker zu tun
bekam, sollte das schon von Weitem erkennen, aber Frank hielt sich,
soweit es ihm möglich war, daran, niemanden anzufassen. Nun, nicht
so ganz. Gestern hatte er der Frau geholfen, sie dabei berührt und
sogar tröstend über ihren nackten Rücken gestrichen. Das hätte er
nicht gedurft. Wenn sie wüsste, dass ein Henker sie gerettet hatte,
würde sie eher den Vollzug der Vergewaltigung wünschen, bevor sie
die unreine Berührung duldete.
    Sei’s drum, sie würde es nie erfahren. Schon
heute trat er ihr nicht mehr gegenüber, bekam nur einen Zettel, mit
dem sie sich nicht verunreinigen konnte.
    In Gedanken versunken bewältigte Frank den Weg,
ehe er es merkte. Schon stand er an der Abzweigung zu dem Anwesen des
seltsamen Gelehrten, der in seinem Haus einen Uhrenturm hatte
errichten lassen, nur damit er den Lauf der Sterne mit dem Ticken der
Uhr vergleichen konnte, wie man in der Stadt munkelte. Auf diese
Weise vermochte er es, die Zukunft vorherzusagen, sagte man. Frank
hörte die Gerüchte des Ortes immer nur, wenn er unauffällig
jemanden belauschte. In seiner Anwesenheit nahm nie jemand Rücksicht
oder tat heimlich, weshalb er in der Regel gut informiert war. Und
über diesen Gelehrten sprach man mit Hochachtung. Nicht nur dass er
als Grundherr gerecht über die Seinen herrschte, er arbeitete für
die erlauchtesten Persönlichkeiten, für Fürsten und Könige,
Bischöfe und Kardinäle. Die beiden Damen, die sich auf den
Richtsberg verirrt hatten, waren dann wohl seine Frau und seine
Schwester.
    Zögernd folgte Frank der Straße weiter. Würde
er heute Gewissheit bekommen? Ein halbes Jahr lang jagte er einem
Hirngespinst nach, dem Wunschtraum, eine Frau zu finden, die ihn
liebte und mit der er sein Leben verbringen würde. Je länger sich
die Suche nach seiner Bärbel zog, desto mehr neigte er dazu, seiner
Stiefmutter zu glauben, die behauptete, Bärbel sei lieber
fortgerannt, als ihm eine Ehefrau zu werden.
    Was, wenn das böse Weib recht hatte? Wenn Bärbel
ihn auf dem Richtplatz gesehen, wenn jemand ihr seine Suche
zugetragen hatte? War das der Grund, warum sie schreiend die Zuflucht
verlassen hatte, ihr Leben und ihr Kind aufs Spiel setzend, nur um
ihm zu entkommen?
    Er dachte so sehr über die Schuld anderer nach –
wie wäre es, wenn er auch einmal sich selbst betrachtete? Vielleicht
konnte Bärbel es in der Tat nicht ertragen, mit jemandem
zusammenzuleben, der sich nicht einmal die wenigen Wochen bis zum
Ende seiner Ausbildung beherrschen konnte, um die Ehe würdevoll zu
beginnen?
    Mitten auf dem Weg blieb Frank stehen, senkte den
Kopf und ballte die Fäuste. Nein, er würde Bärbel finden und sie
fragen. Sie sollte ihm selbst sagen, was sie von ihm hielt. Wenn sie
ihn verstieß, wollte er nie mehr einen Gedanken an sie verschwenden.
Er würde ihr die wenigen Taler schenken, die er in der Tasche trug,
damit sie das Nötigste hatte. Damit wollte er sich gutwillig
zurückziehen. Endgültig. Er würde in den Schwarzwald zurückkehren
und nicht mehr von einem Leben zu zweit träumen.
    Frank atmete tief durch, ließ die kalte Waldluft
durch seine Lungen ziehen, bis seine Hände sich von selbst öffneten.
Noch war nicht alles verloren. Vielleicht wartete Bärbel nur darauf,
dass er sie abholte. Vielleicht.
    Die Turmuhr des Gelehrten schlug Mitternacht.
Frank stemmte die Füße in den Grund und ging die letzten Schritte
zu Frau Mechthilds Anwesen. Zumindest wusste er dieses Mal, dass der
blöde Wendelin ihn nicht heimlich begleitete.
    ---
    Hinter der Tür erwartete Luzia eine Treppe, die
sich noch weiter in die Tiefe wand. Die ersten Stufen nahm sie ohne
Nachdenken, dann überfiel sie jedoch wie ein Blitz die Erinnerung an
ihr Verlies in Amorbach. Auch dort hatte sich eine Treppe in
unerwartete Tiefen gewunden, zu einem Ort, von dem sie beinahe nicht
mehr zurückgekehrt wäre. Sie

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