Die Huren des Apothekers
niemanden um eine
Wohltat anzubetteln, aber dafür jede Chance zu ergreifen, die sich
ihr durch die Wege der Göttin eröffneten. Daraus entstünde Glück,
nicht aus dem Streben nach mehr und immer mehr.
Welche Weisheit in den Worten der alten Frau
steckte, erlebte Luzia jeden Tag, wenn sie die sinnlosen Kämpfe und
Intrigen der Männer an der Universität und am Hofe erlebte. Jeder
arbeitete nur für sich allein, verlor das Gemeinwohl aus den Augen,
strebte nach oben, nicht, um sich zu helfen, sondern um einen anderen
zu schädigen. Satan war nur ein anderer Name für den Gott, den
diese Unmenschen anbeteten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Doch
wie jeder andere Gott konnte er nicht wirklich etwas bewirken, nur
das Selbstbewusstsein seiner Anhänger stärken.
Die Leichenhand, wusste ihre Ahme, wirkte auch
ohne Opfer an das Böse und ohne Beschwörungen von Dämonen. Allein
die enthaltenen Kräuter und die Ausdünstungen der unreinen Wachse
erreichten, dass alle tief schliefen. Sie solle nur vorsichtig sein,
nicht selbst durch die Dämpfe bewusstlos zu werden. Das hatte Luzia
sich zu Herzen genommen und mit der Bande gebrochen, sich nur noch
auf sich selbst verlassen, und damit war sie gut gefahren, bis sie
sich entschlossen hatte, an Lukas‘ Seite sesshaft zu werden.
Alles in Ordnung, Luzia ,
beruhigte sie sich selbst. Der Apotheker betrog alle und jeden,
selbst diejenigen, die an seine schwarzen Künste glaubten. Dutzende
von Händen lagen hier in den Regalen, jedoch nur ein Bruchteil
konnte von Dieben stammen. Und wenn nicht ein Dieb seine schützende
Leichenhand über die Angehörigen seiner eigenen Zunft hielt, wie
sollte der Zauber funktionieren?
Der Apotheker war ein böser Mann, daran musste
sie immer denken, aber es standen keine übernatürlichen Mächte an
seiner Seite. Luzia straffte die Schultern und drehte sich von dem
Hexenwerk ab, um den Verbleib der gefangenen Frau zu erforschen.
Das Jammern war nun wieder zu hören,
verstärkte sich, ohne dass Luzia den Grund des Klagens erkannte. Die
Stimme eines Mannes hallte durch das Gewölbe: »Halts Maul, Weib,
hast es dir selbst zuzuschreiben!«
Eindeutig erkannte sie den Apotheker. Seine Worte
klangen nicht aufgebracht, sondern gelangweilt, als ob er jeden Tag
mit weinenden Weibern zu tun hätte. Ein Klatschen ertönte, ein
Schrei, dann herrschte Ruhe. Das konnte doch unmöglich Frau
Mechthild sein! Was, zum Teufel, ging da vor sich? Hielt der
Apotheker etwa eine seiner Schutzbefohlenen gefangen? Wurde
vielleicht eines der Mädchen hier unten gefügig gemacht für das
Bordell im ersten Stock?
Weniger als einen Wimpernschlag lang brauchte
Luzia für die Entscheidung, ob sie weitergehen oder sich lieber in
Sicherheit bringen wollte. Dieser gesamte Bau gehörte ausgeräuchert,
und wenn sie die Lunte dazu legen musste, dann sollte das so sein.
Kapitel 5 –
Das Rezept des Hexers
Das Klappen einer Tür riss Elße aus ihrem
Jammer. Schritte näherten sich. Niemand sonst als nur Frau Mechthild
ging zu dieser Zeit noch durch das Haus. Elße fuhr hoch, ihr hin-
und herhuschender Blick suchte nach einem Ausweg. Nur Sternenlicht
erhellte den Gang vor ihr, zu wenig, um Einzelheiten zu erkennen.
Schwerfällig zog sie sich am Türrahmen empor, drückte sich gegen
das harte Holz und überlegte fieberhaft. Wenn sie jetzt zum
Schlafsaal lief, rannte sie Mechthild genau in die Arme. Das
mindeste, was sie an Bestrafung für ihr Herumschleichen erwartete,
war Prügel. Am nächsten Morgen würden sie die Knechte im Hof auf
einen Tisch oder eine Leiter binden und auspeitschen oder sie mit dem
Knüppel grün und blau schlagen. Nur noch wenige Tage bis zur
Geburt, da mochte eine solche Belastung dazu führen, dass sie
verwarf und das Kind tot aus ihr herausfiel. Verzweifelt umhüllte
sie mit beiden Händen ihren Leib, wusste aber genau, dass sie das
hilflose Wesen in ihr so nicht schützen konnte.
Voll Panik rannte sie weg von der Tür, ins Haus
hinein. Nur ihrem Glück hatte sie es zu verdanken, dass Frau
Mechthild erneut die Küchentür kontrollierte, lautstark an der
Klinke rüttelte und sich vergewisserte, dass Gertrude auch
pflichtgemäß verriegelt hatte. Beinahe wäre auch Elße in die
Küche hineingelaufen, doch dann huschte sie in die andere Richtung
und fand sich in der Diele wieder. Der muffige Teppich, der sie vor
zwei Tagen schon verborgen hatte, diente ihr auch dieses Mal als
Versteck. Auf laut klackenden Ledersohlen patrouillierte Mechthild
dicht an ihr
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