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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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unterirdische Tümpel tatsächlich war.
Zunächst hatte sie angenommen, es handele sich nur um eine Pfütze,
genauso flach wie der munter sprudelnde Zufluss, doch jetzt glaubte
sie eher an eine Art Brunnen, den ständig Quellwasser speiste. Auf
die Oberfläche des Wassers trat eine Kreisbewegung, ein Strudel, in
dessen Mitte die Kette ein Tragejoch herauszog. Zwei weitere Ketten
strafften sich an den Enden des Querbalkens und zogen eine Last aus
der Tiefe.
    »Wir sollten endlich die Bandagen entfernen«,
sagte die Apothekerin und lenkte damit Luzia für einen Augenblick
ab. »Von Schwalbach machte mir das Angebot, meine Stiftung
vorzustellen.«
    Henslin zeigte sich beeindruckt. »Dem Fürstabt
persönlich?«
    Mechthild hob ihr Kinn höher und setzte eine
gewichtige Miene auf. »Er wird mir, wenn ich meine Sache gut mache,
Pfründe einsetzen. Das käme mir natürlich zupass. Bei der
Gelegenheit könnte ich die Schmuckstücke einem dortigen Juwelier
anbieten. Der in der Kugelgasse wird mir zu neugierig.«
    »Und warum sagst du ihm nicht, dass wir alles aus
Mumienbinden wickeln?«
    »Weil ein Medaillon mit einem eingeritzten
Liebesvers wohl kaum von einer antediluvianischen Mumie stammt! Ich
werde ihm sagen, dass Pilgerinnen ihren Schmuck meiner Institution
spenden.«
    »Gute Idee.« Der Apotheker wandte seine
Aufmerksamkeit wieder dem schuftenden Knecht zu, genauso wie Luzia,
während Mechthild sich an der Mumie zu schaffen machte. Jerg hakte
die Kette in eine Vorrichtung auf der Brücke ein und trat zur Seite.
So bekam Luzia die beste Aussicht darauf, was er aus dem Wasser
gezogen hatte. Am liebsten wäre sie in die Bewusstlosigkeit
geflüchtet, doch ihr Körper tat ihr nicht den Gefallen. Triefnass
drehte sich an dem Joch die Leiche einer Frau. Sauber ausgeweidet wie
ein Schwein pendelte sie an der Kette, Wasser floss aus der leeren
Leibeshöhle.
    »Diesmal stimmt die Zeit«, rief Jerg mit
zufriedener Miene und hob den steifen Arm der Leiche, an dem die Hand
fehlte. »Genau acht Stunden. Das Blut ist völlig ausgespült, aber
die Haut noch nicht aufgeweicht.«
    Immer langsamer werdend vollzog die Leiche ihre
Kreise, bis sie hin- und herschwankend aufhörte, das Gesicht mit
aufgerissenem Mund Luzia zugewendet. Rote Haare, aus denen Rinnsale
Wasser herausliefen, hingen strähnig in die Stirn und bedeckten die
fahlen Wangen. Die Augen fixierten starr und anklagend Luzia.
    Wie gebannt erwiderte sie den Blick, wagte nicht
einmal zu atmen, bis Sterne vor ihr erschienen und sie tief Luft
holte. Barmherziger Gott im Himmel, was ging hier vor sich? Hatten
die Mädchen nicht von einer Rothaarigen geredet, die in der Nacht
davongelaufen war? Endeten so diejenigen, die Mechthild Widerworte
gaben?
    Nein, das durfte nicht sein. Bei allen Verbrechen,
die Luzia ihr unterstellte oder sogar beweisen konnte, soweit durfte
sie nicht gehen. Eine Geburt war ein lebensgefährliches Unterfangen
für die Mutter. Nicht wenige starben dabei, selbst wenn die besten
Ärzte sich um sie kümmerten. Um wie bedrohlicher sahen die
Verhältnisse aus für eine Frau, die in höchsten Nöten allein
gelassen wurde? Leicht fand man sie am nächsten Morgen entleibt
wieder. Mechthilds und Henslins Verbrechen bestand darin, diese leere
Hülle nicht mit der gebührenden Rücksicht und ohne die Tröstungen
des Christentums zu bestatten, sondern zu Arznei zu verarbeiten.
    Luzias Blick wanderte zu der leeren Leibeshöhle.
Und das Kind? Was hatte Mechthild damit gemacht? Würde Jerg jetzt
noch eine weitere Kette heraufholen, an der ein unschuldiges
Neugeborenes hing? Oder – unwillkürlich zuckte Luzias Hand, um ein
Kreuzzeichen zu machen – hatte es gar überlebt? Die Mädchen
hatten beim Frühstück berichtet, Mechthild gäbe ungewollte Kinder
an kinderlose Ehepaare, die sie wie ihr Eigen aufzögen. Auch nur
eine fromme Lüge?
    Jerg lenkte die Kette zum Ufer, wo er die
Schlachterhaken in den Schultern der Leiche vom Joch entfernte, sie
hinter sich herschleifte und mit ihr aus Luzias Blickfeld verschwand.
Im Inneren fühlte Luzia Erleichterung darüber. Ihr war klar, was
jetzt passierte. Er hängte sie genauso in einer zugigen Nische auf
wie die anderen Mumien, die Luzia gesehen hatte. Der kalte Wind
verursachte, dass die Leiber nicht verwesten, sondern zu Mumien
zusammenschrumpften. Um dann von Henslin zu Pulver zerrieben zu
werden.
    Am Tisch standen jetzt Mechthild und Henslin
gemeinsam und arbeiteten an dem ägyptischen Pharao. Mechthild legte
die Hände

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