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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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zuletzt ihre Verbrechen genossen, denen kein Peitschenschlag,
kein abgeschlagenes Glied, kein heruntergerissener Streifen Haut das
Gewissen weckte, nur Trotz. Solchen Sündern hingen Weiber an, die
deren Mut auf dem Richtplatz priesen, willfährig ihrem Unrecht
beipflichteten, bittere Tränen vergossen über den Verlust dieses
Menschenlebens, das sie als wertvoll erachteten. Solche Anhänger
suchten das Grab des Hingerichteten, legten Blumen darauf,
errichteten Stelen und schürten ihre Wut auf die Obrigkeit.
Womöglich fanden sie Gleichgesinnte, verklärten die Schandtaten der
Delinquenten und ließen sie in Gedanken als Heilige
wiederauferstehen. Franks Mundwinkel zuckten belustigt über den
kleinen Seyfrid, der atemlos der Legende über den Störtebeker
lauschte. Dabei war Frank sicher, dass es sich nur um einen
gewöhnlichen Seeräuber gehandelt hatte, einen Piraten, dessen
gerechte Strafe man vollzogen hatte. Also gab es für Wenige auch
Glorifizierung ohne Grabstätte.
    Nun, soweit das Andenken der Ungerechten. Aber
hatten all die Mädchen, die hier ihr Ende gefunden hatten, dieses
Vergessen verdient? Gab es denn keine Angehörigen, die sich an sie
erinnerten als kleine Mädchen, die mit Puppen spielten, sich an
Papas Brust schmiegten und von Mama getröstet wurden? Vermisste denn
niemand diese unglücklichen Seelen?
    Unwirsch wischte Frank die Feuchtigkeit in seinen
Augenwinkeln weg und schaute nach oben, ob sie vielleicht von einem
erneut einsetzenden Regen herrührte. Er würde doch nicht angesichts
unbenannter Gräber in Tränen ausbrechen! Energisch wandte er sich
der Stirnseite des Friedhofs zu und richtete seinen Blick auf den
Boden unter der Schwarzdornhecke. Schon von Weitem fiel ihm der helle
Stein ins Auge, mit dem die Frau ihren Brief bedecken sollte. Auf
einmal begann sein Herz wieder zu klopfen wie nach einer großen
Anstrengung. Hatte sie Wort gehalten? Lag ein Zettel unter dem Stein,
auf den sie den Aufenthaltsort von Bärbel geschrieben hatte?
    Mit langen Schritten, diesmal ohne Rücksicht auf
darunterliegende Gräber, lief Frank zum Stein und ging vor ihm in
die Hocke. Als ob er stachelig sei, hielt seine Hand kurz über dem
Kiesel inne. Es kostete Frank Überwindung, bis seine Finger sich um
die kühle Rundung schlossen. Fürchtete er etwa die Nachricht? Seine
Augen schlossen sich, öffneten sich erst mit Anstrengung, als er den
Stein zur Seite legte. Tatsächlich, da lag ein Papier, die
abgerissene Ecke einer Seite. Mit zitternden Fingern faltete er das
Stück auseinander. Nur ein Wort stand darauf, das Frank Mühe
bereitete, es zu entziffern. »Morgen«, las er schließlich. Seine
Gefühle überschlugen sich. Er spürte Wut, dass er den
beschwerlichen Weg umsonst gemacht hatte, andererseits auch
Erleichterung, dass hier keine Todesmitteilung lag. Sein Herz zog
sich vor Sorge um Bärbel zusammen. Was mochte ihr nur zugestoßen
sein? Und er sorgte sich auch um die fremde Frau, die ihr Versprechen
eingelöst und den Zettel hingelegt hatte. Er hielt die Nachricht in
das Licht des aufgehenden Mondes. Die Tinte wirkte schwarz, aber am
Schimmer erkannten seine geübten Augen, dass es sich um Blut
handelte. Sie hatte nicht mit Feder und Tinte geschrieben, sondern
sich mit primitiven Mitteln geholfen, um ihr Wort zu halten.
    Misstrauisch richtete Frank sich auf und wandte
seinen Blick zum Haupthaus. Was ging hinter diesen Mauern vor sich,
dass eine Frau nicht einmal eine kurze Mitteilung auf ein Stück
Papier kritzeln durfte? Kein Hahn krähte danach, was mit den Frauen
in der Zuflucht geschah. Nutzte das jemand zu seinen eigenen Zwecken
aus? Wenn ja, wer konnte das sein?
    Aus dem Schatten des Hauses löste sich eine
Gestalt, torkelte, hielt sich an der Mauer fest. Eine Frau in einem
dünnen Hemd, aufgelöste Haare, erkannte Frank. Unwillkürlich
lenkte er seine Schritte zu ihr.
    ---
    Wie ein Stein plumpste Luzias Herz abwärts, als
Jerg in ihr Blickfeld trat. Mit Anstrengung musste sie ihre Blase
davon abhalten, sich zu entleeren. Schon die Körperhaltung des
Knechts zeigte, dass von ihm keine Hilfe zu erwarten war. Er
stolzierte wie ein Gockel um die Schwangere herum und grinste dabei
über beide Backen. Angstvoll verfolgte die Frau seinen Weg und
wimmerte leise. Breitbeinig blieb er vor ihr stehen und grabschte
nach ihrer Brust. Ihren Aufschrei erstickte er mit einem Kuss. Sie
wich aus und zappelte, aber mit der anderen Hand packte er ihre Haare
und hielt sie fest.
    »Na, welch unwilliges

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