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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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Luzias Augen. Sie
schmunzelte über ihre Gedanken. Sicher, der Mann wies den Körper
einer griechischen Statue auf, wie sie oben im Schloss standen, auch
sein Gesicht wirkte männlich. Als er seinen Zorn über die
Leichenschänder beiseitegeschoben hatte, war sogar etwas wie
Freundlichkeit hervorgetreten, aber damit waren seine Vorzüge auch
schon geschildert. Ein Henker! Sicher brauchte sie jetzt, als Eheweib
eines respektierten Gelehrten, keine Angst mehr vor seiner Zunft zu
haben, dennoch schauerte sie vor diesem düsteren Gewerbe. Es konnte
kein Mensch sein, der seinen Lebensunterhalt damit erwarb, anderen
die Haut vom Leibe zu ziehen, Muskeln zu zerfetzen, Knochen zu
brechen und Glieder abzuschlagen! Einzige Musik in seinen Ohren das
Brüllen der Gemarterten, Stöhnen und Jammern.
    Ein Schrei ertönte. Luzia schreckte aus ihrem
Halbschlaf, fuhr empor und tastete nach der Kerze. Im ersten
Augenblick wähnte sie sich noch im Traum. Nein, das klang wie eine
Frau in Not, die draußen im Wald herumirrte. Schon tappten Füße im
Haus, Magdalenes Tür schlug und auch die Treppe zum Turm knarzte,
also stieg Lukas herunter. Luzia streckte die Füße aus dem Bett,
als ihre Schlafzimmertür sich einen Spalt öffnete und Lichtschein
hereindrang.
    »Herrin, der Schrei kam doch nicht von dir?« Das
besorgte Gesicht der Kammerfrau schob sich herein.
    »Nein, Trine. Was mag da vor sich gehen?«
    Zuerst hatte die nächtliche Totenstille um dieses
Haus Luzia erschreckt, aber mittlerweile war sie so daran gewöhnt,
dass jeder Laut von draußen sie jetzt aufwachen ließ. Doch dieser
Schrei hätte sie auch mitten in der Stadt hochgescheucht.
    Trine lief in den Flur zu dem Fenster, von dem aus
man vor die Eingangstür sehen konnte, und öffnete die Läden.
Schwerfällig folgte Luzia und spürte ihre Schwägerin hinter sich.
Lukas trat aus der Tür zum Turm, sein Rapier in der Hand. Eine
Sekunde gönnte Luzia sich, seine muskulöse Brust zu bewundern, die
fast die Nähte des teuren Seidenstoffes sprengen wollte – so gar
nicht das Bild des approbierten Gelehrten.
    »Trine«, rief er, »was gibt es?«
    Luzia erkannte Fackelschein im Wald und hell
erleuchtete Fenster im Nachbarhaus. Äste knackten, Schritte hallten.
    »Herr, ich sehe zwei Knechte der Apothekerin im
Wald. Sie streben wieder dem Haus zu. Es scheint keine besondere Eile
zu geben.«
    Mit einem Nicken wandte Lukas sich zur Diele und
federte die Treppen hinunter. Die Muskeln seiner Arme schwollen an,
als er die schweren Riegel hob und die Eingangstür öffnete. Ein
kalter Windstoß zerrte an Luzias Nachthemd und blies fast Trines
Kerze aus. Bang fasste Magdalene Luzias Hand, als Lukas hinausging.
Kurz darauf sahen sie ihn auf die Männer draußen zutreten, sein
weißes Hemd leuchtete durch die Bäume. Die Sätze, die er mit ihnen
wechselte, konnte Luzia nicht verstehen, aber ihr Mann wandte sich
schon bald wieder seinem Haus zu und kam herein.
    »Eine der Frauen«, berichtete er. »Manche von
ihnen fliehen wie die Tiere in den Wald, wenn ihre Zeit kommt. Die
Knechte sind es gewöhnt, sie wieder einzufangen, damit sie ihre
Bälger nicht zwischen den Bäumen werfen.«
    Luzia fühlte Unwohlsein bei seinen Worten. Die
Verachtung tat ihr weh, denn es würde nicht mehr lange dauern, bis
auch sie in ähnlicher Lage wie diese armen Weiber um Erlösung
schreien würde. Gott gab die Schmerzen der Geburt als Strafe für
die Wollust und als Sühne für die Sünden Evas, darum wurde die
Entbindung zur Qual. Selbst die schrecklichste Folter eines Henkers
konnte die ewige Schuld nicht vom Körper einer Frau tilgen, weshalb
die Geburt noch schlimmeres brachte. Das zumindest sagte man, und das
Brüllen einer Gebärenden bewies diese Tatsache.
    Glaube den Pfaffen nicht ,
flüsterte die Stimme ihrer Großmutter in ihrem Hinterkopf. Ein
Kind als Strafe für die Sünde? – Das wäre ja noch schöner. Die Pfaffen beteten den Tod an und neideten deshalb den Frauen ihre
Gabe, neues Leben zu erschaffen, etwas, das sie sich selbst streng
verbaten und zu dem sie auch gar nicht fähig waren. Wenn man von
Sünde reden wollte, dann benannte es das Keuschheitsversprechen,
welches sie ihrem gestrengen Gott gaben und dann brachen, um die
Schuld daran denen zu geben, die sie missbrauchten.
    Sollte es irgendwann ans Licht des Tages dringen,
welche Lehren Luzia von den weisen Frauen ihrer Familie übernommen
hatte, würde sie unweigerlich als Hexe auf dem Scheiterhaufen
landen, das wusste sie. Nicht einmal

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