Die Huren des Apothekers
Treppenabsatz stützte sie das Tablett ab und lüftete mit einer
Hand die Ecke des Abdecktuchs. Ihr Magen zog sich schmerzlich
zusammen bei den Wohlgerüchen, die jetzt hervorquollen. Gebratener
Speck in dicken Scheiben, bedeckt von Rühreiern, ein Haferbrei mit
kandierten Früchten, die in Sahne schwammen, Birnen und Pflaumen,
gewürzt mit Zimt und Honig, fettreiche Gerstengrütze, daneben
frisches Brot, so weiß und locker, dass es wie Schafwolle aussah.
Elße schloss die Augen und musste schlucken, bis das schmerzhafte
Grummeln des Magens vorüberging. Auch sie würde gleich etwas zu
essen bekommen, ganz sicher. In ihrem Haferbrei würde es keine
Butter und keinen Honig geben, sie würde Spelzen spucken, aber sie
würde satt werden. Widerwillig deckte sie das Frühstück zu und
mühte sich die enge Treppe nach oben.
Niemand öffnete ihr nach dem Anklopfen, sie
balancierte das Tablett, bis sie die Klinke umdrehte und eintrat.
Nachdem sie die Tür mit der Hüfte zugeschoben hatte, knickste sie,
obwohl sie niemanden sah. Hier oben war sie noch nie gewesen, und es
überwältigte sie. Flüchtig dachte sie, es sei die Pracht des
Raums, die ihr die Luft nahm, dann spürte sie in ihrem Gesicht die
Hitze. Ein Feuer flackerte sanft im Kamin, wofür Jonata zuständig
war und bei jedem Schlag der Turmuhr aus dem Nachbarhaus Holz
nachlegen musste.
Dunkle Täfelung, mit Bienenwachs poliert, bis sie
nach Honig duftend glänzte, verkleidete die Wände. Goldgerahmte
Bilder und kleine Statuen zogen ihre Blicke auf sich, auf zierlichen
Möbeln standen goldene Schalen und Pokale. Verwundert tat sie ihren
ersten Schritt und versank in dem weichen Teppich, der in leuchtenden
Farben fast den gesamten Boden bedeckte.
Zögerlich trat sie zu dem Tisch in der Mitte des
Zimmers, dessen Platte wie ein Spiegel ihr Gesicht reflektierte.
Daneben gab es ein Beistelltischchen mit einem aus Mosaik geformten
Bild, das ihr robuster für das grobe Tablett aussah, das sie trug.
Behutsam setzte sie ihre Last ab. Nach rechts stand eine Tür halb
offen, aus der sie es plätschern hörte. Vorsichtig klopfte sie an.
»Komm herein«, hörte sie die Stimme des Herrn.
Sie folgte dem Befehl, schlug sittsam die Augen
nieder und knickste. Als sie aufblickte, fühlte sie das Blut in ihre
Wangen schießen. Der Apotheker stand in einer großen
Kupferbadewanne, nur bedeckt von öligem Wasser, das langsam an ihm
herabrann.
»Starr mich nicht an, gib mir das Handtuch!«,
fuhr er sie an. Augenblicklich sprang sie zur offenstehenden Truhe
und griff nach dem Gewünschten. Das Laken roch frisch und fühlte
sich weich an. »Trockne mir den Rücken ab«, befahl der Herr.
Noch nie hatte Elße als Bademagd gearbeitet, sie
konnte sich auch nicht vorstellen, dies zu tun. Mit Widerwillen
breitete sie das Laken aus, bedeckte faltige, mit einer
unübersehbaren Vielfalt an Malen entstellte Haut, das hängende
Gesäß. Er war ein alter Mann, doch trotz der sichtbaren
Alterserscheinungen machte er einen kräftigen, sehnigen Eindruck.
Das bestätigten die Mädchen, die sich vor seinen Schlägen
fürchteten.
Die Wärme des Zimmers hatte noch nicht Elßes
Finger durchdrungen, die sich wie erfroren anfühlten. Behutsam
tupfte sie das Laken über den narbigen Rücken. »Stärker«,
forderte er sie auf. Also strich sie mit der ganzen, in den Stoff
gewickelten Hand über die Haut. Er drehte sich zu ihr herum und sah
ihr ins Gesicht. Elße schlug den Blick nieder, beobachtete ihre
Finger, wie sie sich in das Tuch krallten und Wassertropfen von der
haarigen Brust wischten.
»Du hast das wohl noch nicht oft getan«, stellte
er fest.
»Nein, Herr.« Sollte sie ihm erklären, dass, im
Gegenteil, Mädchen das mit ihr getan hatten, als ihr Vater noch
lebte? Dass nur die unmäßigen Forderungen für das Altenteil der
Schwiegermutter, der ihr zweiter Sohn beistand, Elßes Mutter in die
Armut getrieben hatten? Dass sie in einem großen Haus mit weiten
Ländereien aufgewachsen war und die Einkünfte, nachdem die
Forderungen abgezogen waren, nicht gereicht hatten, ihren Hunger zu
stillen?
Er deutete auf das mit einem Ölfilm überzogene
Wasser. »Du solltest auch baden. Zieh dich aus.«
Sie hielt in der Bewegung inne. »Danke, Herr. Das
ist nicht nötig.«
»Ziere dich nicht. Ich bin es gewöhnt, nackte
Weiber in den schlimmsten Posen zu sehen. Der Herr wird mich nicht
mit Blindheit schlagen, wenn du mir deine Euter präsentierst.«
Elße spürte bei diesen rüden Worten erneut Röte
in
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