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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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Apothekers? Elße ballte die Fäuste und
atmete mühsam, was nicht allein an dem strammen Tempo lag, das der
Mann vorgab.
    Der Mann … noch immer nicht wagte sie, seinen
Namen zu nennen. Frank. Ein Henker. Trocken schluchzte sie auf. Nicht
nur, dass sie zur Hure degradiert wurde, jetzt suchte sie auch noch
die Gesellschaft eines Henkers. Noch mehr Ehre konnte sie nicht
verlieren. Frank besaß auch keine Ehre. Dafür hatte er sie besser
behandelt als jeder andere Mann im gesamten letzten Jahr. Was also
nutzte etwas wie Ehre? Wenn ehrenhafte Männer sie ehrlos
behandelten, stellte sie sich dann nicht besser, wenn ein Ehrloser
sie ehrte? Ihre Mundwinkel entspannten sich bei diesem Wortspiel. Was
nützte Ehre eigentlich?
    Eine Wand ragte vor ihr auf. Hart prallte sie
dagegen. Nein, keine Wand, der Mann. Frank. Mit Mühe unterdrückte
sie einen Aufschrei. Warum war er so plötzlich stehengeblieben?
Unwillig langte sein Arm nach hinten, um Elße aufzuhalten. Geduckt
spähte er nach vorn. Sie hob die Hand vor den Mund, um ihr
hektisches Atemgeräusch zu dämpfen. Suchten die Knechte nach ihr?
    Vergeblich versuchte sie, an seinem massiven
Körper vorbei zu erkunden, warum er nicht mehr weiterging. Flüchtig
sah sie hinter sich und begutachtete die Büsche neben dem Weg, den
sie benutzten, aber es fiel ihr nichts Besonderes auf. Da, es
raschelte! Die Knechte würden nicht heimlich tun, sondern sie mit
lautem Trampeln durch den Wald treiben wie der Jäger den Hirsch in
den Kessel. Das hörte sich mehr wie ein Tier an. Sofort überfiel
sie die Angst. Ein Wolf? Gar ein Bär? In den Schatten um sie herum
schienen sich bezahnte Mäuler aufzureißen, Krallen nach ihr zu
greifen. Fast roch sie schon den fauligen Atem einer Bestie. Ihre
Hand streichelte verstohlen über die grobe Jacke des starken Mannes
vor ihr. Er würde sie beschützen, vor welchem Untier auch immer.
    Franks Muskeln spannten sich. Mit einem ungestümen
Satz sprang er voran. Elße bemühte sich, plötzlich des Halts
beraubt, nicht hinzufallen. Vor ihr in der Dunkelheit brachen Äste,
schlug etwas dumpf auf den Boden. Kämpfte er dort? Elße wich
zurück. Auf einmal herrschte Totenstille, dann ein lauter Atemzug.
    »Wendelin?«, flüsterte Frank.
    Elße erkannte vor dem düsteren Hintergrund des
Waldes, wie Frank sich aufrichtete. Sogleich brach etwas vehement
durch die Büsche, unregelmäßige Tritte entfernten sich.
    »Was ist?«, flüsterte Elße.
    »Nichts«, antwortete Frank. »Jemand … Es ist
unwichtig. Ich hätte nicht gedacht, dass er mich findet. Dass er
mich sucht …«
    Ohne sich umzudrehen ging er weiter.
    Nach kurzem Erschrecken folgte Elße. Wer, in
Gottes Namen, war das? Niemals hatte Frank von einem Wendelin
gesprochen. Zwar redete er nicht viel, aber dass er niemanden hier
kannte, wusste sie schon. Niemanden außer den anderen
Henkersgehilfen, von denen er nicht viel hielt, genauso wie von dem
Scharfrichter, den er als brutalen Unmenschen bezeichnete. Es wurde
Elße übel, als sie daran dachte, in die Fänge eines solchen
Unholdes zu gelangen. Wenn schon ein Mann, der so viel in seinem
Leben gesehen hatte, jemanden als Unmenschen bezeichnete, wie
bestialisch musste der Scharfrichter tatsächlich sein? Und wenn Elße
und Frank bei dem, was auch immer sie vorhatten, erwischt wurden,
lieferte man sie dann nicht automatisch in die Hände dieses
Barbaren?
    Musste sie sich Sorgen um diesen Wendelin machen?
Würde er sie verraten? Frank schien sich nicht weiter darum zu
kümmern. Elße straffte die Schultern und rannte drei Schritte, um
zu ihm aufzuschließen. Wenn er nicht bangte, wollte sie auch nichts
fürchten.
    Bald wechselte der weiche Boden des Waldweges zum
Kies, mit dem Mechthild ihre Gartenwege bestreut hatte. Sie betraten
das Grundstück des Apothekers. Nur wenige Schritte und die dunkle
Silhouette des Hauses zeichnete sich vor dem Nachthimmel ab. Elße,
willst du wirklich weitergehen , fragte die Stimme ihrer Mutter in
ihrem Hinterkopf. Ja, Mutter, antwortete sie wortlos, es
muss eine Vergeltung dafür geben, was dieser Unhold an meiner
Freundin verbrochen hat.
    ---
    Alles in Luzia widerstrebte dem Gedanken, dieses
Haus noch einmal zu betreten. Sie zögerte mehrere Minuten, bevor sie
das Schloss zum Anbau öffnete. Nein, es musste etwas geschehen. Noch
weniger als diese kurze Angst würde sie ertragen können, jahrelang
neben einem solchen Monstrum zu wohnen, genau seine Verbrechen zu
kennen und doch zu wissen, dass sie ihm nichts anhaben

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