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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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einen Kasten, wobei ein feuchtes Klatschen ertönte.
    Das Schreien der Frau wurde leiser, Pausen entstanden, in denen Luzia den Laut vernehmen konnte, mit dem ihr Blut auf die Planken schoss. Henslin kniete sich an den Rand des Wasserlochs und wusch seine Hände und sein Gesicht, wobei er alle Zeit der Welt zu haben schien.
    Als alle Geräusche verstummt waren, nicht einmal mehr das Blut in Luzias Ohren rauschte, richtete er sich wieder auf und schnitt die Fesseln der Frau durch. Wie ein Sack fiel sie auf den Boden. Luzia fühlte sich auf einmal so leicht, als ob sie davonschweben wolle. Sie spürte nicht mehr das rissige Holz unter ihren Füßen und Fünkchen erschienen vor ihren Augen. Endlich konnte sie die Lider schließen und betete um eine Ohnmacht. Nein, das Gefühl verflog, sie verlor nicht das Bewusstsein und behielt die Kontrolle über ihren Körper. Als sie wieder hinschaute, zog Henslin die Frau mit Hilfe des Jochs an der Kette empor, genau wie vorher die Rothaarige. Auch diesmal fehlten die Hände. Geübt wie ein Schlachter griff er durch den entsetzlichen Schnitt in den Leib und zog die Gedärme heraus, um sie in bereitstehende Eimer fallen zu lassen. Genau solche Eimer, wie sie die Knechte zum Füttern der Schweine benutzten.
    Mit einer letzten Anstrengung zog Henslin die Leiche noch ein Stück höher, bugsierte sie über den Rand der Brücke und ließ sie dann an der Kette tief ins Wasser versinken. Erleichterung überkam Luzia, nicht mehr den Leichnam der Frau zu sehen, deren Ermordung sie hatte miterleben müssen. Doch was sie jetzt ohne das Hindernis auf der Brücke liegen sah, trug nicht zu ihrer Beruhigung bei. Die beiden Hände der Frau schwammen in Blutpfützen, direkt neben etwas Winzigem, das nichts anderes sein konnte als die Händchen ihres Kindes.
    Zwei dumpfe Schläge der Turmuhr zeigten eine halbe Stunde nach Mitternacht an. Henslin trug die beiden Eimer mit ihrem blutigen Inhalt zur Seite, dann barg er sorgfältig die beiden Paare Hände auf einem Brett, das er in die Richtung des Abteils trug, wo Luzia die Werkstatt für die Diebeshände entdeckt hatte. Jetzt wäre die Gelegenheit, endlich diesem Kasten zu entfliehen! Allein der Gedanke reichte nicht, Luzia anzuspornen. Sie konnte ihre Muskeln nicht dazu zwingen, die Bewegungen auszuführen, die für eine Flucht notwendig waren. Ihre Füße fühlten sich an wie Blei, die Hände erwachten viel zu langsam mit einem Kribbeln aus ihrer Taubheit. Und das war auch gut so, denn Henslin hatte sich nicht weit entfernt. Er fuhrwerkte an dem Ende des Teiches herum, wo Luzia den Abfluss vermutete. Knirschen und das Aufeinanderschaben von Holz konnte sie hören, dann kam er wieder. Erneut wusch er sich die Hände ausgiebig. Währenddessen schwappten kleine Wellen über die Brücke und sogen das Blut mit sich. Zuerst vermeinte Luzia sich zu irren, doch dann erkannte sie immer deutlicher: Die Brücke wurde von Wasser überschwemmt. Senkte er das Holz herunter? Nein, das Wasser stieg an. In der Zeit, die Henslin brauchte, um sich das Blut von den Händen zu spülen, hob sich der Wasserspiegel schon um so viele Zoll, dass die Brücke völlig unter Wasser lag. Er stand auf, blies die Öllampe neben der Mumie aus und ging.
    Mehrere Minuten lauschte Luzia seinen sich entfernenden Schritten. Und wenn sie nun nie wieder aus diesem Kasten herauskam? Wenn er sich nicht mehr öffnen ließ? Immer mehr steigerte sie sich in Angst hinein, bis sie die Tür schlagen hörte. Das gab ihr das Signal, es trotzdem noch einmal mit dem Deckel zu versuchen. So leicht ging es nicht. Als sie endlich ihre zitternden Hände wieder beherrschte, drückte sie mit aller Kraft, aber das Holz klemmte. Erst mit übermäßiger Anstrengung und unter Auferbietung ihres gesamten Körpergewichts gab die Klappe nach und sie stolperte in den Raum. Sie stützte sich mit den Händen am Rand des Tisches ab, auf dem die Mumie lag. Fremdländische Düfte zogen ihr in die Nase, die ihr diesmal widerlich vorkamen und sie zum Erbrechen reizten. Nein, sie durfte sich nicht so gehen lassen. Jetzt musste sie sich in Sicherheit bringen, streng darauf achten, dass niemand auch nur ahnte, wo sie diese Nacht gesteckt hatte. Ohne ihren Willen wanderte ihr Blick von der Mumie vor ihre Nase zu der mittlerweile völlig unter Wasser verschwundenen Brücke. Keine Spur gab es mehr von dem verübten Verbrechen. Welcher Büttel würde ihr Glauben schenken? Wenn sie den Apotheker anzeigte, würde es so große

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