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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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golden schimmernde Kostbarkeit. »Diesen?«
    Er ließ den Zettel auf den Tisch fallen und streckte die Hand aus. Wie eine Reliquie berührte er das Medaillon, gleich darauf zuckten seine Finger zurück, als ob es glühend heiß sei. »Woher …«, raunte er.
    Die Nachbarin holte tief Luft. »Sie sind tot«, brachte sie schließlich heraus.
    Schwindel erfasste Elße, sie tastete hinter sich und ließ sich ungebeten auf einen Stuhl sinken. Tränen schossen ihr in die Augen. »Aber … wie …«
    »Ich konnte meine Neugier nicht bezwingen und musste unbedingt die gestern gelieferte Mumie sehen, weshalb ich bei Frau Mechthild vorstellig wurde«, erzählte die Gelehrtenfrau. »Weil sie mich abwies, schlich ich mich hinein und versteckte mich im Keller. Was ich dort miterlebte …« Ihre Stimme erstarb, bis sie erneut anhob und die schrecklichste Geschichte erzählte, die Elße jemals gehört hatte.
    ---
    Luzia zitterte am ganzen Körper, teils vor Kälte, teils aber auch, weil sie die grässlichen Bilder nicht verdrängen konnte, die sich immer wieder vor ihre Augen schoben. Lukas murmelte etwas und drehte sich herum, als sie sich neben ihn ins Bett legte. Ob er wohl schon lange von seinem Turm heruntergekommen war? Sobald ihre eisigen Füße ihn berührten, schlug er die Augen auf.
    »Da bist du ja, Geliebte! Wo hast du nur gesteckt?«
    Noch einmal wollte Luzia nicht ihre Geschichte erzählen, dazu lagen ihre Lider zu schwer auf den Augen, zumal auch ihr Kreuz sich mit dem bekannten Ziehen meldete. Sie unterdrückte ein Stöhnen und zwang ein Lächeln in ihr Gesicht, von dem sie hoffte, dass es ihn beruhigte. »Mach dir keine Sorgen um mich«, flüsterte sie ihm zu. »Ich konnte keine Ruhe finden und ging spazieren.«
    Anscheinend wirkte ihre Lüge, denn er schloss die Augen und Sekunden später bewiesen seine tiefen Atemzüge, dass er wieder schlief. So schnell vollbrachte Luzia das nicht. Ihr Körper erwärmte sich nicht, obwohl Lukas neben ihr die Hitze einer Retorte ausstrahlte. Das Erlebte konnte sie nicht aus ihrem Geist verbannen. Immer wieder hörte sie die Schreie, sah das Blut herausschießen. Doch das schlimmste war das knirschende Schmatzen des Apothekers und das feuchte Klatschen, mit dem er die Überreste seiner Mahlzeit in den Kessel geworfen hatte. Was sollte sie nur tun? Immer wieder drehten sich diese Worte in ihrem Kopf, bis auf einmal die Morgensonne in ihre Augen stach.
    Wie es aussah, hatte sie doch geschlafen. Neben ihr säuselte Lukas in die Kissen. Nein, ihn durfte sie mit ihren Sorgen nicht belästigen. Er würde sofort sein Rapier in einer Wolke aus Staub von der Wand reißen und wie ein wütender Stier ins Nachbarhaus stürmen. Selbst wenn sie ihm den Hünen Frank zur Seite stellte, zu zweit kamen sie nicht gegen die Knechte Mechthilds an, wenn die Furie sie aufstachelte. Trotz dieser Argumente zerriss ihr das Geheimnis die Seele, sie musste es ihm erzählen. In guten und in schlechten Zeiten. Brachen jetzt die schlechten Zeiten an? Er würde zu ihr stehen. Und sich selbst ins Unglück stürzen? Nein, sie musste schweigen. Zumindest noch diese Nacht.
    Dies war endlich einmal ein Fall, zu dem die Inquisition zu Recht angerufen werden sollte, aber da Luzia wusste, wie die Obrigkeit in solchen Fällen arbeitete, hütete sie sich davor. Ein Bruchteil des Reichtums, den die Apothekerin in ihrem Obergeschoss ausstellte, genügte, um alle weltlichen Richter zu bestechen. Und die Kirchenmänner hatte sie jetzt schon mit ihrer Frömmelei und vorgetäuschten Wohltätigkeit für sich eingenommen. Diesem sauberen Paar die Untaten zu beweisen, würde schwer fallen. Als entsetzlichstes Szenario malte Luzia sich aus, wie die Jurisprudenz die Vergangenheit Magdalenes ans Licht zerrte, wie diese gutherzige Frau erneut vor Gericht geschleppt wurde – allein mit der Begründung, dass Gott nicht zulassen würde, den Richter eine Unschuldige verurteilen zu lassen. Als ob diese Sicht der Dinge jemals einen Funken Wahrheit enthalten hätte! Die Kirche strafte sich selbst Lügen mit den vielen frommen Heiligenlegenden, die doch alle von falschen Richtern unrecht verurteilt waren. Oder sollte vielleicht auch Magdalene sich damit trösten, in dreihundert Jahren heiliggesprochen zu werden?
    Energisch schob Luzia ihre Beine aus dem Bett, weil sie auf andere Gedanken kommen wollte. Gleich meldete sich ihr Magen und wollte seinen Inhalt von sich geben. Viel konnte es nicht sein, weshalb mehrmaliges Schlucken und tiefes

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