Die Huren des Apothekers
gleichermaßen ermordete?
»Herrin, du hättest noch schlafen sollen«, sagte Trine und legte Luzia sanft die Hand auf die Schulter. »Die freudige Zeit kostet Kraft, da wird das Aufstehen morgens oft schwer. Plagt dich die Übelkeit? Oder hat dich das Spektakel vom Nachbarhaus geweckt?«
»Spektakel?«, fragte Luzia nach.
Behäbig nahm Trine auf der Bank neben ihr Platz und ordnete ihre Röcke. »Na, als die Frau Mechthild in aller Frühe mit ihrem Kutscher so laut kreischte, dass alle Weiber auf dem Anwesen sich um sie herum scharten und aufgeregt schnatterten wie die Erpel im Entenhaus! Woraufhin sie noch viel lauter brüllte und alle ins Haus verbannte. Was ihre Wut aber nicht minderte, weil sie weiterhin ihren Knecht beschimpfte, bis dieser sich herumdrehte und dickschädelig in den Wald rannte. Mich wundert’s nicht, nach dem, was Jungfer Magdalene über die Kutschfahrt zum Richtsberg erzählte. Lieber kreuche ich den Abhang auf Händen und Knien herab, als mich von diesem Jerg kutschieren zu lassen.«
»Den Jerg hat sie ausgeschimpft?«, erkundigte sich Luzia mit einem unschuldigen Augenaufschlag und tunkte einen Brocken Brot in den Kaffee.
»Nicht, dass ich gelauscht hätte«, beteuerte Trine genauso scheinheilig, »aber mir kam’s vor, als habe er gestohlen.«
»Sag!«, kommentierte Luzia.
»Einen Schmuck. Am meisten hat sie sich aufgeregt, die saubere Frau Nachbarin, wie er davongestapft ist und sie allein vor der Kutsche stand. Dann endlich erschien auch ihr Gemahl, sprang um sie herum wie ein Rumpelstilz und hieß endlich einen anderen Knecht, den Ottin, auf dem Kutschbock sitzen. Hochnäsig wie eine Königin fuhr sie dann ab.«
Vor Schadenfreude musste Luzia grinsen und versteckte es hinter ihrer Kaffeetasse. Kleinliche Rache, aber wenigstens ein Nadelstich statt der gerechten Strafe für ihre Untaten. So mancher unzufriedene Geselle hatte seine Herren für Weniger dem Henker geliefert. Dass Jerg schnurstracks zum Richter lief, konnte sie wohl nicht erwarten, aber auch kleine Pflastersteine führten in die Hölle.
»Wohin war sie denn unterwegs, die Nachbarin?«
»Zum Fürstabt Johann Friedrich von Schwalbach in Fulda. Das versicherte sie mehrfach, schon vor dem Streit und auch hinterher, stolz wie grüne Seife. Dem Ottin musste sie mehrmals den Weg beschreiben und er jammerte gotterbärmlich, dass er für den langen Weg keine Zehrung dabei habe und auf dem Kutschbock verhungern würde. Sie maßregelte ihn, er solle dankbar sein, drei Tage von den ratschenden Weibern wegzufahren. Erst in Fulda angekommen, würde sie einkehren und er sich am Bier schadlos halten. Das war ihm Grund genug, seinen Widerstand aufzugeben.«
»Drei Tage«, murmelte Luzia. »Und wer führt drüben die Aufsicht?«
»Na, der ehrenwerte Herr Apotheker persönlich! Und schon sei eine der Frauen weggelaufen, erfuhr Rosa.«
Die Dienstmagd sah bei Erwähnung ihres Namens auf und nickte zustimmend. »Bei Nacht einfach fortgerannt, nicht einmal ihre Schuhe habe sie mitgenommen. Frau Mechthild verbot den Knechten, sie zu suchen, da sie noch keinen Ersatz für Endres habe und nach ihrer Abreise jeder ein Auge auf die Übriggebliebenen werfen müsse.«
»Wer ist Endres?«, erkundigte Luzia sich.
»Einer der Knechte, wohl der schlimmste«, wusste Rosa. »Auch unversehens fortgelaufen, wie man sagt.«
»Na, ob da kein Zusammenhang besteht?«, mischte sich Nesse ein und lachte, wobei sie mit einem großen Kochlöffel in einem Topf rührte und aromatische Dämpfe aufsteigen ließ.
Luzia verbarg ihr Erschrecken und schnupperte. »Das riecht gut. Was soll es geben?«
»Waldpilzsuppe. Kurz nach Morgengrauen brachte eine Holzfällersfrau einen schönen Korb voll Braunkappen. Ich schlage sie durch ein Sieb, gebe etwas Speck dazu und reichlich Petersilie aus dem Garten. Mit einem Löffel Schmand wird die Suppe dem Herrn Doktor Farbe auf die Wangen zaubern! Und auch dir, Herrin, schadet’s nicht.«
Allein der Duft beruhigte Luzias rebellierenden Magen. Womöglich sollte sie doch ihre Meinung über Pilze überdenken. Mit neuem Appetit biss sie in ihr Brot und fühlte es den Geschmack von Säure aus ihrem Hals verdrängen. Allmählich weckte der Kaffee ihre Lebensgeister. »Ich freu mich drauf«, konnte sie der Köchin mit einem ehrlichen Lächeln versichern.
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Wie ein Wolf im Zwinger trabte Frank in der Hütte auf und ab. Die Finsternis machte ihm zu schaffen, regte ihn auf. Sein Blick saugte sich an den Sonnenstrahlen fest,
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