Die Huren des Apothekers
zuckte zurück, fiel dabei fast über den Besen, den sie in der Hand hielt. »Henker?«, stammelte sie, tastete nach einem Stuhl und ließ sich darauf sinken. Doch wider Erwarten begann sie zu lachen.
»Und ich wunderte mich, welcher Mann einem anderen ohne Zögern die Kehle durchschneidet!« Sie lachte so sehr, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. »Und sich dann einer Nackten gegenüber benimmt wie ein Ritter!« Glucksend wischte sie sich die Augen. »Da bin ich genau an den Richtigen gekommen. Mein Freund, ich bin froh, dass ich dich habe.«
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Mit Anstrengung wuchtete Luzia den schweren Gemüsekorb auf den sauber gescheuerten Tisch und sah sich erstaunt im Gesindehaus um. Lag es nur an ihrem verwirrten Gemüt, nachdem sie dem Vestibulum des Grauens entronnen war, dass sie die Hütte so schmutzig und ungemütlich empfunden hatte? Ihre Öllampe schien auf saubere Vorhänge und gewienerte Dielen. Nicht einmal in den Ecken tummelten sich mehr die Staubmäuse. Frank schloss hinter ihr die Tür und Elße fasste schnell zu, bevor eine Lauchstange Übergewicht bekam und herunterfiel. Sie bemerkte das in feuchtes Leinen eingeschlagene Stück Wild, das Luzia zusammen mit dem Grünzeug aus Nesses Speisekammer entführt hatte. Morgen würde sie der Köchin beichten müssen, damit keine der Mägde beschuldigt wurde.
Die zwei hatten es sich hier gemütlich gemacht wie ein altes Ehepaar. Noch bevor Luzia sich setzen konnte, stand ein Becher mit aromatisch duftendem Melissentee vor ihr, den Elße knicksend reichte. Luzia dankte mit einem Lächeln. Bevor sie weitersprach, schlug die Turmuhr achtmal.
»Der Apotheker wird jetzt gerade die Mädchen im Obergeschoss eingeschlossen haben«, begann sie. Sichtlich schauderte Elße zusammen und sank auf den Stuhl, der Luzia am Tisch gegenüberstand. Frank zog sich auch einen heran und setzte sich dazu. Aufmerksam lauschte er.
»Contz bleibt über Nacht in Marburg, er bringt das Allheilmittel des Apothekers in sein Geschäft. Ich nötigte ihn, für uns Feuerholz zu hacken, weshalb er erst kurz vor Sonnenuntergang fortkam und daher in der Stadt übernachten muss.«
»Hoffentlich tut er das. Ottin fährt Mechthild nach Fulda, für Endres gibt es noch keinen Ersatz, also schlafen nur drei Knechte im Haus?«
Luzia nickte dem findigen Mann anerkennend zu. »Im höchsten Falle. Über Jerg weiß ich nichts Genaues. Es gab einen Streit mit ihm und Mechthild, worauf er wutentbrannt fortrannte, allerdings kann er jederzeit wiederkehren.«
»Die Knechte schlafen neben der Küche, also vom Anbau so weit entfernt wie möglich«, wusste Elße, auch sie völlig dessen bewusst, was sie hier planten.
»Es bleibt der Apotheker, vielleicht ein Knecht, der ihm bei seiner Giftmischerei hilft. Bis die anderen herbeikommen …« Frank führte nicht aus, was bis dahin geschehen war. Das musste er auch nicht. »Bleibt die Eingangstür zum Anbau. Wie breche ich sie auf?«
Luzia gönnte ihm ein winziges Lächeln. »Der Apotheker wird allerlei Scherereien mit den wilden Weibern haben, dass ihm der Kopf nicht nach Sorgfalt steht. Könnte es nicht sein, dass er auch mal vergisst abzuschließen?«
Auch diesmal verstand Frank, ohne dass Luzia es aussprach. Er lächelte grimmig. »Wann überprüfen wir es?«
»Wenn du in zwei Stunden kommst, wirst du Zugang finden.« Luzia war sicher, dass sie die Wahrheit sprach.
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Grob legte der Mann seine Hand auf Elßes Brust und schob sie zurück in die Hütte. Mit beiden Armen hielt sie sich am Türrahmen fest und bot ihm Widerstand. »Nein, ich werde nicht hier ausharren!«
Genauso wie sie wusste auch er, dass sie seinen monströsen Körperkräften nichts entgegenzusetzen hatte, aber ebenso wusste er, dass er sie schon niederschlagen musste, um sie daran zu hindern, ihn zu begleiten. Einmal kurz blitzte die Versuchung in seinen dunklen Augen auf, was Elße einen Augenblick der Angst bescherte, aber dann ließ er die Schultern hängen und drehte sich um. »Wenn du nur still bischt!«
»Ich verspreche es!«, beeilte sich Elße. »Du wirst keine Last in mir haben.«
Das hoffte sie inständig. Sie erwartete nicht, ausgerechnet in dieser kurzen Zeit Komplikationen zu bekommen. Die letzten zwei Tage war nicht ein einziger Schmerz durch ihren Leib gezogen und selbst ihr Sohn schien ein Einsehen zu haben und streichelte sie lediglich von innen. Die Ruhe tat ihr gut, wurde ihr sogar schon zu viel, denn sie suchte sich immer wieder Kleinigkeiten, mit denen sie sich
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