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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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nützlich machen konnte. Das Haus war gut ausgestattet, die Truhen und Kästen steckten voll mit Nützlichem, sodass sie dem Mann das Hemd flicken und ihm zwei Knöpfe annähen konnte. Seinen Kleidern sah man an, dass keine ordnende Hand einer Frau darüber wachte.
    Elße schmunzelte, als sie daran dachte, wie verblüfft er über ihre Hilfe war. Anscheinend gab es wenige Menschen, die sich um ihn kümmerten, wohl nur seine Bärbel – die der Apotheker ermordet hatte. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. Genauso ermordet wie Jonata. Vor ihren Augen sah sie das fröhliche Lächeln ihrer braunhaarigen Freundin, wie der Wind Strähnen unter ihrer Haube herauspickte, wie ihre Hände sich auf ihren Leib legten und das Kind darinnen liebkosten. Elße biss die Zähne zusammen. Mit schnellen Schritten ging sie dem Mann hinterher, der sich in den Weg stemmte, als ob er sich gegen einen Sturm lehnte. »Egal was du ihm antun willst, es kann nur gerecht sein«, keuchte sie.
    »Antun? Meine Bärbel beerdigen will ich. Antun werde ich ihm erst was, wenn er mir dazwischenkommt.«
    Ernst nickte Elße. Der Apotheker würde dazwischenkommen, mit Sicherheit. Es blieb ihm ja nichts anderes übrig, wollte er seine Untaten nicht in die Welt herausposaunt hören. Selbst wenn ihm nichts anderes bewiesen werden konnte, musste er sich doch der Leichenschändung schuldig bekennen, da er den verstorbenen Müttern und auch ihren Neugeborenen Taufe und Aussegnung verweigerte. Dafür würde er am Pranger leiden müssen, bespuckt und geschlagen von einer kaum zu bändigenden Menge. Hinterher würden er und sein sauberes Weib aus der Stadt getrieben, womöglich nackt, geteert und gefedert. Lebhaft stellte sie sich vor, wie der klebrige Teer kalt über die Körper rann, sich in Mechthilds Haaren verfing, wie die Menge Federn über sie blies und mit Schimpf und Schande vor sich hertrieb, wie Kinder verfaultes Obst nach ihnen warfen oder sogar Steine, damit sie schneller liefen. Wie sich die beiden dann weit vor der Stadt in einem Loch verkrochen, vergeblich die tröstliche Nähe des anderen suchten, die ihnen verwehrt war, weil sie so vor Dreck klebten. Mechthild würde weinen, bitterlich schluchzen, wie sie ihre Schützlinge auch dazu gebracht hatte. Einesteils wünschte Elße sich das, andererseits war diese Art von Strafe viel zu wenig für den Apotheker. Ihm gehörte nichts Besseres als seinem Kuckucksvater, dem man die Haut bei lebendigem Leibe heruntergerissen hatte, denn auch seine Verbrechen zählten nicht geringer.
    Die Kühle der Nacht brachte Elße wieder in die Wirklichkeit. Niemand würde die beiden bestrafen. Was hatten sie sich denn schon Großes zuschulden kommen lassen? Sie konnten behaupten, dass die Frauen bei der Geburt gestorben waren, was ja häufig genug geschah. Und was dieses Ungeheuer den Kindern angetan hatte? Na und! Kein Hahn krähte nach Bastardkindern. Ob sie nun in der Winterkälte ausgesetzt wurden, von der Mutter ertränkt, vom Vater erschlagen oder vom Apotheker gefressen – wen kümmerte das? Diese Kinder galten als unnütz. Unnatürlich und sündenbeladen, nicht einmal richtige Menschen. Schon gar nicht, wenn sie noch nicht einmal aus dem Mutterleib gekrochen waren.
    Elße umfasste ihren Leib und streichelte das Kind darinnen. Ihr Kind würde geliebt werden. Sie würde alles für es tun. Die Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie daran dachte, was es alles in seinem Leben würden erdulden müssen, weil die Mutter nicht beizeiten unter der Haube war. Hätte sie irgendeinem Tunichtgut ihre Hand gegeben, gleich nachdem es passiert war, wäre es niemals bekannt geworden. Doch sie dummes Stück hatte daran geglaubt, dass die Leute sie bemitleiden würden, vielleicht sogar das Unrecht wiedergutmachen und sie weiterhin ehrenhaft behandelten. Die abwegige Hoffnung, dass mit den Schmerzen ihrer verheilenden Wunden auch das Unglück von ihr wich! In ihrer Gutgläubigkeit hatte sie sogar gedacht, andere Jungfrauen des Dorfes Vorsicht zu lehren, sich nicht allein in den Wald zu trauen. Hatte sie nicht sogar Dank dafür erwartet?
    Wut staute sich in ihr, Wut auf die ungerechten Dorfbewohner, die sie bespuckt und als Hure geschimpft hatten, Wut auf den Pfarrer, der sie nicht von der Sünde freisprechen wollte, die sie gar nicht begangen hatte, Wut auf den bösartigen Onkel, der sie aus dem Haus getrieben hatte. Vor allem auf ihn. Ähnelten seine Züge nicht sogar denen des Apothekers? Elße ballte die Fäuste und

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