Die Huren des Apothekers
atmete mühsam, was nicht allein an dem strammen Tempo lag, das der Mann vorgab.
Der Mann … noch immer nicht wagte sie, seinen Namen zu nennen. Frank. Ein Henker. Trocken schluchzte sie auf. Nicht nur, dass sie zur Hure degradiert wurde, jetzt suchte sie auch noch die Gesellschaft eines Henkers. Noch mehr Ehre konnte sie nicht verlieren. Frank besaß auch keine Ehre. Dafür hatte er sie besser behandelt als jeder andere Mann im gesamten letzten Jahr. Was also nutzte etwas wie Ehre? Wenn ehrenhafte Männer sie ehrlos behandelten, stellte sie sich dann nicht besser, wenn ein Ehrloser sie ehrte? Ihre Mundwinkel entspannten sich bei diesem Wortspiel. Was nützte Ehre eigentlich?
Eine Wand ragte vor ihr auf. Hart prallte sie dagegen. Nein, keine Wand, der Mann. Frank. Mit Mühe unterdrückte sie einen Aufschrei. Warum war er so plötzlich stehengeblieben? Unwillig langte sein Arm nach hinten, um Elße aufzuhalten. Geduckt spähte er nach vorn. Sie hob die Hand vor den Mund, um ihr hektisches Atemgeräusch zu dämpfen. Suchten die Knechte nach ihr?
Vergeblich versuchte sie, an seinem massiven Körper vorbei zu erkunden, warum er nicht mehr weiterging. Flüchtig sah sie hinter sich und begutachtete die Büsche neben dem Weg, den sie benutzten, aber es fiel ihr nichts Besonderes auf. Da, es raschelte! Die Knechte würden nicht heimlich tun, sondern sie mit lautem Trampeln durch den Wald treiben wie der Jäger den Hirsch in den Kessel. Das hörte sich mehr wie ein Tier an. Sofort überfiel sie die Angst. Ein Wolf? Gar ein Bär? In den Schatten um sie herum schienen sich bezahnte Mäuler aufzureißen, Krallen nach ihr zu greifen. Fast roch sie schon den fauligen Atem einer Bestie. Ihre Hand streichelte verstohlen über die grobe Jacke des starken Mannes vor ihr. Er würde sie beschützen, vor welchem Untier auch immer.
Franks Muskeln spannten sich. Mit einem ungestümen Satz sprang er voran. Elße bemühte sich, plötzlich des Halts beraubt, nicht hinzufallen. Vor ihr in der Dunkelheit brachen Äste, schlug etwas dumpf auf den Boden. Kämpfte er dort? Elße wich zurück. Auf einmal herrschte Totenstille, dann ein lauter Atemzug.
»Wendelin?«, flüsterte Frank.
Elße erkannte vor dem düsteren Hintergrund des Waldes, wie Frank sich aufrichtete. Sogleich brach etwas vehement durch die Büsche, unregelmäßige Tritte entfernten sich.
»Was ist?«, flüsterte Elße.
»Nichts«, antwortete Frank. »Jemand … Es ist unwichtig. Ich hätte nicht gedacht, dass er mich findet. Dass er mich sucht …«
Ohne sich umzudrehen ging er weiter.
Nach kurzem Erschrecken folgte Elße. Wer, in Gottes Namen, war das? Niemals hatte Frank von einem Wendelin gesprochen. Zwar redete er nicht viel, aber dass er niemanden hier kannte, wusste sie schon. Niemanden außer den anderen Henkersgehilfen, von denen er nicht viel hielt, genauso wie von dem Scharfrichter, den er als brutalen Unmenschen bezeichnete. Es wurde Elße übel, als sie daran dachte, in die Fänge eines solchen Unholdes zu gelangen. Wenn schon ein Mann, der so viel in seinem Leben gesehen hatte, jemanden als Unmenschen bezeichnete, wie bestialisch musste der Scharfrichter tatsächlich sein? Und wenn Elße und Frank bei dem, was auch immer sie vorhatten, erwischt wurden, lieferte man sie dann nicht automatisch in die Hände dieses Barbaren?
Musste sie sich Sorgen um diesen Wendelin machen? Würde er sie verraten? Frank schien sich nicht weiter darum zu kümmern. Elße straffte die Schultern und rannte drei Schritte, um zu ihm aufzuschließen. Wenn er nicht bangte, wollte sie auch nichts fürchten.
Bald wechselte der weiche Boden des Waldweges zum Kies, mit dem Mechthild ihre Gartenwege bestreut hatte. Sie betraten das Grundstück des Apothekers. Nur wenige Schritte und die dunkle Silhouette des Hauses zeichnete sich vor dem Nachthimmel ab. Elße, willst du wirklich weitergehen , fragte die Stimme ihrer Mutter in ihrem Hinterkopf. Ja, Mutter, antwortete sie wortlos, es muss eine Vergeltung dafür geben, was dieser Unhold an meiner Freundin verbrochen hat.
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Alles in Luzia widerstrebte dem Gedanken, dieses Haus noch einmal zu betreten. Sie zögerte mehrere Minuten, bevor sie das Schloss zum Anbau öffnete. Nein, es musste etwas geschehen. Noch weniger als diese kurze Angst würde sie ertragen können, jahrelang neben einem solchen Monstrum zu wohnen, genau seine Verbrechen zu kennen und doch zu wissen, dass sie ihm nichts anhaben konnte. Wie würde es sie schmerzen, in die
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