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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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hin. Aus dem betreffenden Regal nahm sie fertig präparierte Diebeshände, im Verschlag daneben holte sie sich Lumpen, so viel sie auf einmal sicher tragen konnte. Das würde reichen.
    Auf dem Rückweg huschte sie noch einmal durch die Tür zum Laboratorium, wo sie am weitesten von Henslin und dem Knecht entfernt war. Hier stellte sie eine der Diebeshände auf. Ein Kohlebecken wärmte eine Reagenz, woran sie einen Kienspan entzündete und damit einen Finger der schwarzmagischen Kerze nach dem anderen in Brand setzte. Es dauerte einige Minuten, bis sie fertig war, immer bereit zur Flucht, falls einer der beiden Männer näher kommen sollte. Es gelang ihr ohne Störung. Dicker Qualm stieg aus den flackernden Flammen der Diebeshand empor, der sich unter der Decke sammelte und von dort aus verbreitete. Bis der Dunst in das hinterste Zimmer vordrang, würde einige Zeit vergehen. Der Geruch war gar nicht einmal unangenehm, nach Kräutern und gutem Fett. Also hatte Henslin zumindest hier auf Qualität geachtet. Was ihn jetzt wohl direkt betraf.
    Luzia lief geräuschlos wieder hinaus, die Treppe hinauf und bis an die Tür zum Gebärort. Hier stopfte sie die Lumpen in die Ritzen und das vergitterte Oberlicht. Je mehr sie die Lücken schloss, desto weniger zog es. Als sie sich nach vollbrachter Arbeit aufrichtete, fühlten sich die Ohren dumpf an, weil das ständige Rauschen des Luftstroms aufgehört hatte. So würde es Henslin schwer fallen, die Räume zu lüften. Er dürfte die volle Dosis seines eigenen Giftes zu spüren bekommen.
    Zufrieden ging Luzia die Treppen hinunter zum Ausgang. Im letzten Augenblick zögerte sie. Besser, sie kontrollierte, ob nicht eines der Mädchen im Bordell gefangen gehalten wurde.
    ---
    Dumpfe Wut schwelte in Frank, während er den Kies unter seinen Stiefeln zermalmte. Was, in drei Teufels Namen, suchte Wendelin hier? Warum schlief er nicht zusammengekrümmt wie ein Hund in der Abdeckerhütte, wo Ottmar ihm seinen Platz zugewiesen hatte? Hatte der blöde Kerl ihn tatsächlich verfolgt oder rannte er nur aus lauter Zufall im dunklen Wald herum?
    An den Zufall glaubte Frank nicht. Den dritten Tag schon war er jetzt nicht zur Arbeit gekommen, hatte sich nicht einmal den Lohn der letzten Woche von Ottmar abgeholt. Der Scharfrichter würde fluchen, weil er die gestrigen Hinrichtungen selbst hatte ausführen müssen, aber ob er deswegen seine Knechte nach Frank auf die Suche schickte? Unwahrscheinlich. Da blieb nur, dass Wendelin auf eigene Faust seinen vorgeblichen Freund suchte. Wahrscheinlich hatte er schon die ganze Zeit um ihn herumgelungert, weil Frank der Einzige war, der ihn nicht wie den Abfall behandelte, den selbst der Abdecker wegwarf. Da zeigte sich wieder einmal, dass zu viel Wohltätigkeit schädlich endete! Der geistlose Klumpen Menschenfleisch würde noch alles verderben, herumerzählen, dass Frank sich hier herumtrieb, wodurch zwangsläufig ein Verdacht auf ihn fiel. Wäre Wendelin doch nur nicht so schnell durch seine Finger geschlüpft! Dabei wollte Frank ihm nichts Böses. Er hatte aus Überraschung vielleicht nur etwas zu grob zugefasst.
    Wenn er schon überrascht war, dann musste Wendelin bei der plötzlichen Begegnung zu Tode erschrocken sein. Sonst allerdings fiel er in eine Schreckstarre wie ein Reh, vor dem sich abrupt der Jäger aufbaut. Von wirklichen Gefahren musste man ihn in einem solchen Zustand wegtragen, weil er nicht in der Lage war, sich zu bewegen. Doch diesmal hatte er reagiert, war schneller weggerannt, als Frank nachgreifen konnte.
    Was soll’s! Frank beruhigte sich unter Anstrengung. Sollte Wendelin tratschen! Als erstes hörte sowieso niemand seinem Lallen zu, und dann konnte man alles mit Hinweis auf Wendelins Blödheit abstreiten. Und überhaupt sollte nichts Frank hier halten. Welchen Grund hätte er? Er war nur wegen Bärbel hergekommen. Und Bärbel … Ein Grollen löste sich aus seiner Brust und die Augen brannten. Bloß nicht wieder heulen! Die ganze Nacht hatte er wachgelegen, auf die Atemzüge der Frau in der Kuhle neben ihm gelauscht und sich dauernd das Wasser aus den Augen wischen müssen. Wäre er doch früher in diese Mördergrube gefahren! Nur ein paar Tage hatten entschieden, dass er für den Rest seines Lebens auf alles Glück verzichten sollte.
    Das forderte Rache! Nein, nicht schon wieder diese Gedanken. Er wollte nur den geschändeten Leib seiner Geliebten aus dem Schreckenshaus schaffen und ihn anständig begraben, damit er abschließen

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