Die Hyäne
ich mich noch einmal bei Ihnen erkundige, ob alles das, was Sie uns jetzt berichtet haben, den Tatsachen entspricht.«
»Es ist wahr!« stieß Carrie hervor. »Jedes Wort. Wir haben nicht gelogen und auch nichts hinzugefügt. So etwas kann sich doch kein normaler Mensch aus den Fingern saugen, finde ich.«
»Da haben Sie recht.«
»Dann glauben Sie uns?«
»Davon dürfen Sie zunächst ausgehen.«
Beide de Bakers atmeten auf.
Sie waren zufrieden, aber auch gespannt, denn ich machte weiter. »Wie ich sehe, hängen die Dinge einzig und allein mit Ihrem Sohn Collin zusammen.«
Das gaben sie zu. Und wie sie das taten, störte mich ein wenig.
Auf mich wirkte das Ehepaar wie zwei Menschen, die ein schlechtes Gewissen hatten, deshalb hakte ich nach und fragte: »Wie kamen Sie mit Collin zurecht?«
Die de Bakers schauten sich an. Es traute sich keiner von ihnen, mir eine Antwort zu geben. Schließlich mischte sich Glenda ein.
»Eigentlich recht gut, wie ich das gehört und auch gesehen habe. Oder sollte ich mich derart geirrt haben?«
»Nein.«
»Doch!« widersprach Carrie. »Was meinst du?«
Carrie ignorierte den erstaunten Blick ihres Mannes. »Wenn wir ehrlich sein sollen, kamen wir nicht gut mit unserem Sohn zurecht.«
»Gab es Streit?« fragte ich.
»Nein, Mr. Sinclair.« Carries Gesicht bekam einen gespannten Ausdruck. »Es hat leider keinen Streit gegeben.«
»Das begreife ich nicht«, sagte Glenda.
»Man kann sich doch nur streiten, wenn man sich unterhält oder zuvor über gewisse Dinge diskutiert hat.«
»Das sehe ich ein.«
»Eben, Miss Perkins, eben. Wir haben uns kaum unterhalten, und deshalb konnten wir uns auch nicht streiten. Wir haben aneinander vorbei gelebt. Wir sind uns in den letzten Jahren fremd geworden. Wir hatten das Geschäft und gegen die großen Ketten ankämpfen müssen, um überhaupt zu existieren. Wir haben es bisher geschafft. Aber jeder Tag ist eine neue Herausforderung – mit vollem Einsatz.«
»Das hört sich an, als hätten Sie Ihren Sohn verloren.«
»Ja. Miss Perkins. Auf eine gewisse Art und Weise schon. Mein Mann denkt nicht so wie ich. Der spricht mehr von einem Abnabeln, aber ich bin da anderer Meinung.«
»Er ging also seinen eigenen Weg«, stellte ich fest.
»Leider, Mr. Sinclair. Collin entglitt uns. Er war oft weg. Kam manchmal erst am nächsten Morgen nach Hause. Nichts Ungewöhnliches bei vielen in seinem Alter. Aber er ging noch zur Schule, und dort ließen seine Leistungen rapide nach.«
»Haben Sie nie über dieses Thema miteinander gesprochen?«
»Was die Schule angeht, schon«, erklärte Mr. de Baker.
»Es war ja nicht nur die Schule«, fiel ihm seine Frau ins Wort. »Es ging noch um ganz andere Dinge. Das Fortbleiben in manchen Nächten. Darin liegt das Problem.«
»Und wo war er?«
Die de Bakers schauten sich an. Wie auf ein Kommando hin hoben sie die Schultern.
»Hat er nie etwas gesagt? Oder haben Sie nicht gefragt?«
»Natürlich haben wir gefragt«, sprach de Baker mit hart klingender Stimme. »Wenn Sie meine Frau so hören, müssen Sie ja den Eindruck gewinnen, daß wir Rabeneltern gewesen sind. Das aber stimmt auf keinen Fall. Wir haben unseren Sohn gut erzogen. Und wenn er in der Nacht weggeblieben ist und wir ihn am nächsten Morgen danach gefragt haben, dann gab er uns auch eine Antwort. Er sprach immer davon, die Stunden bei Freunden verbracht zu haben. Auf Feten, Parties und in Discos, was weiß ich. Diese Zeiten habe ich nie so erlebt.«
»Namen kennen Sie nicht?«
»Wie meinen Sie das?«
»Der Lokale. Seiner Freunde oder Freundinnen…«
»Nein, ich nicht.« De Baker schüttelte den Kopf. »Oder hat er dir etwas gesagt, Carrie?«
Sie schwieg und schaute auf ihren Schoß. »Da gab es mal eine Sache, der ich näher auf den Grund gehen wollte, aber dazu kam es nicht mehr, er ist dann gestorben.«
»Welche Sache, Mrs. de Baker?«
Sie blickte mich an. »Nun ja, man darf die Dinge wohl nicht überbewerten, aber ich räumte mal in seinem Zimmer auf. Ich wollte es putzen, durchsaugen, und mir fiel dabei zufällig eine ungewöhnliche Schrift in die Hände.« Sie deutete die Größe eines kleinen Notizbuches an.
»Was war das denn?«
»Es ging um die Regeln der Hölle oder des Satans.« Sie stieß die Luft aus, froh darüber, einen Druck losgeworden zu sein.
»Davon weiß ich ja nichts«, sagte ihr Mann.
»Ich wollte mit dir darüber sprechen, aber wir hatten keine Zeit, dann hat sich Collin ja auch umgebracht.«
»Er gehörte
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