Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Menschheit zum ersten Mal auf Hyperion gelandet ist.« Weintraub kratzte sich an der Nase. »Es ist ein Geheimnis«, sagte er, »und, um ehrlich zu sein, mir machen Geheimnisse Spaß, auch wenn es vielleicht meine allerletzte Woche ist, sie zu genießen. Ein Hauch des Begreifens würde mich freuen, doch wenn das nicht möglich ist, finde ich es ausreichend, an dem Puzzle zu arbeiten.«
»Dem stimme ich zu«, sagte Het Masteen emotionslos. »Ich wäre nie darauf gekommen, sehe aber ein, daß es weise sein könnte, uns unsere Geschichten zu erzählen, ehe wir dem Shrike gegenübertreten.«
»Und was könnte uns daran hindern zu lügen?« fragte Brawne Lamia.
»Nichts.« Martin Silenus grinste. »Das ist ja gerade das Schöne.«
»Wir sollten darüber abstimmen«, sagte der Konsul. Er dachte an Meina Gladstones Bemerkung, daß einer der Gruppe ein Agent der Ousters war. Konnten die Geschichten etwa eine Möglichkeit sein, den Spion zu entlarven? Der Konsul lächelte, als er an einen so dummen Agenten dachte.
»Wer hat entschieden, daß wir eine glückliche kleine Demokratie sind?« fragte Oberst Kassad trocken.
»Das sollten wir besser sein«, entgegnete der Konsul. »Damit wir unsere individuellen Ziele erreichen, muß diese Gruppe gemeinsam die Region des Shrike erreichen. Wir brauchen eine Methode, Entscheidungen zu treffen.«
»Wir könnten einen Anführer wählen«, sagte Kassad.
»Darauf scheiß ich«, sagte der Dichter in liebenswürdigem Tonfall. Die anderen am Tisch schüttelten alle den Kopf.
»Nun gut«, sagte der Konsul. »Wir stimmen ab. Unsere erste Entscheidung betrifft den Vorschlag von Sol Weintraub, daß wir uns alle die Geschichte unserer früheren Erlebnisse auf Hyperion erzählen.«
»Alles oder nichts«, sagte Het Masteen. »Wir erzählen alle unsere Geschichten, oder keiner. Wir werden uns dem Willen der Mehrheit fügen.«
»Einverstanden«, sagte der Konsul, der plötzlich neugierig war, die Geschichten der anderen zu hören, aber gleichzeitig gewiß, daß er seine eigene niemals preisgeben würde. »Wer ist dafür, daß wir unsere Geschichten erzählen?«
»Ja«, sagte Sol Weintraub.
»Ja«, sagte Het Masteen.
»Unbedingt«, sagte Martin Silenus. »Diese komische kleine Farce möchte ich nicht gegen einen Monat in den Orgasmusbädern auf Shote eintauschen.«
»Ich stimme auch dafür«, sagte der Konsul sehr zu seiner eigenen Überraschung. »Gegenstimmen?«
»Nein«, sagte Pater Hoyt, aber seine Stimme hatte keine Energie.
»Ich halte es für dumm«, sagte Brawne Lamia.
Der Konsul wandte sich an Kassad. »Oberst?«
Fedmahn Kassad zuckte die Achseln.
»Ich zähle vier Jastimmen, zwei Neinstimmen und eine Enthaltung«, sagte der Konsul. »Damit ist der Vorschlag angenommen. Wer will anfangen?«
Schweigen herrschte am Tisch. Schließlich sah Martin Silenus, der etwas auf einen kleinen Zettel geschrieben hatte, in die Runde. Er riß den Zettel in mehrere kleine Streifen. »Ich habe Ziffern von eins bis sieben geschrieben«, sagte er. »Warum ziehen wir nicht und halten uns an die Reihenfolge, die wir ziehen?«
»Das kommt mir reichlich kindisch vor«, sagte M. Lamia.
»Ich bin ein kindischer Bursche«, erwiderte Silenus mit einem Satyrlächeln. »Botschafter« – er nickte dem Konsul zu –, »dürfte ich mir das goldene Kissen einmal ausleihen, das Sie als Hut tragen?«
Der Konsul reichte ihm den Dreispitz, die gefalteten Schnipsel wurden hineingeworfen, der Hut machte die Runde. Sol Weintraub zog als erster, Martin Silenus als letzter.
Der Konsul klappte seinen Zettel auf und achtete darauf, daß ihn niemand sehen konnte. Er war Nummer sieben. Die Nervosität strömte aus ihm heraus wie Luft aus einem zu sehr aufgepumpten Ballon. Es war gut möglich, überlegte er sich, daß die Ereignisse einen Strich durch die Rechnung machten, bevor er seine Geschichte erzählen mußte. Oder der Krieg würde alles überflüssig machen. Oder die Gruppe konnte das Interesse an den Geschichten verlieren. Oder der König konnte sterben. Oder das Pferd konnte sterben. Oder er konnte dem Pferd das Sprechen beibringen.
Keinen Whiskey mehr, dachte der Konsul.
»Wer ist der erste?« fragte Martin Silenus.
In dem kurzen Schweigen konnte der Konsul Blätter hören, die im Wind raschelten, den er nicht spürte.
»Ich«, sagte Pater Hoyt. Das Gesicht des Priesters zeigte denselben Ausdruck kaum verhohlenen Akzeptierens von Schmerz, wie der Konsul es in den Gesichtern von unheilbar kranken
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