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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Kopf.
    Ich sagte: »Hat einer der Männer einen Queue gehabt?«
    »Ich weiß nicht. Sie hatten Kapuzen und Osmosemasken auf.«
    »War einer groß genug für einen Tempelritter oder kräftig genug für einen Lusianer?«
    »Ein Tempelritter?« Johnny war überrascht. »Nein. Einer war von durchschnittlicher Netzgröße. Der mit der Ampulle könnte ein Lusianer gewesen sein. Kräftig genug war er.«
    »Sie haben also einen lusianischen Schurken mit bloßen Händen verfolgt. Haben Sie Bioprozessoren oder Zusatzimplantate, von denen ich nichts weiß?«
    »Nein. Ich war nur wütend.«
    Ich half ihm auf die Beine. »Demnach werden auch KIs wütend?«
    »Ich schon.«
    »Kommen Sie«, sagte ich. »Ich kenne eine vollautomatische Medklinik, die billig ist. Danach bleiben Sie eine Weile bei mir.«
    »Bei Ihnen? Warum?«
    »Weil Sie jetzt nicht mehr nur eine Detektivin brauchen«, sagte ich. »Jetzt brauchen Sie einen Leibwächter.«
     
    Meine Wohnung war im Zonenplan des Stocks nicht als Apartment verzeichnet; ich hatte eine renovierte Warenhauswohnung von einem Freund übernommen, der Kredithaien aufgesessen war. Mein Freund hatte in einem späteren Lebensabschnitt beschlossen, zu einer der Kolonien im Outback zu emigrieren, und ich hatte die Unterkunft, die nur einen Klick den Flur entlang von meinem Büro entfernt lag, günstig bekommen können. Die Umgebung war ein wenig rauh, und manchmal machte der Lärm von den Ladedocks eine Unterhaltung unmöglich, aber ich hatte zehnmal soviel Platz wie in einem normalen Wohnkubus und konnte meine Gewichte und Fitneßgeräte daheim benützen.
    Johnny schien die Behausung echt zu gefallen, und ich hätte mir in den Hintern treten können, weil mich das so freute. Es würde noch soweit kommen, daß ich Lippenstift und Körperrouge für diesen Cybrid auftrug.
    »Warum leben Sie auf Lusus?« fragte ich ihn. »Die meisten Außenweltler finden die Schwerkraft lästig und die Landschaft monoton. Außerdem befindet sich Ihr Forschungsmaterial in der Bibliothek auf Renaissance V. Warum hier?«
    Ich sah ihn genau an und hörte eingehend zu, als er antwortete. Sein Haar war oben gerade, in der Mitte gescheitelt und fiel in rotbraunen Locken über seinen Kragen. Er hatte die Angewohnheit, beim Sprechen die Wange auf die Faust zu stützen. Mir fiel auf, daß sein Dialekt eigentlich der Nichtdialekt von jemand war, der eine Sprache perfekt gelernt hat, aber ohne die nachlässigen Verkürzungen von jemand, der mit ihr aufgewachsen ist. Und darunter lag die Andeutung eines Singsangs, wie ich ihn bei einem Einbrecher gehört hatte, der auf Asquith aufgewachsen war, einer ruhigen Hinterwelt des Netzes, die von Kolonisten der Ersten Expansion besiedelt worden war, die von den ehemaligen britischen Inseln stammten.
    »Ich habe auf vielen Welten gelebt«, sagte er. »Mein Zweck ist es, zu beobachten.«
    »Als Dichter?«
    Er schüttelte den Kopf, zuckte zusammen und berührte zaghaft die Stiche. »Nein. Ich bin kein Dichter. Er war einer.«
    Trotz der Umstände hatte Johnny eine Energie und Vitalität in sich, die ich bei viel zu wenig Männern gesehen hatte. Es ist schwer zu beschreiben, aber ich war schon in Zimmern mit bedeutenderen Persönlichkeiten gewesen, die es so eingerichtet hatten, daß sie um Persönlichkeiten wie seine kreisten. Es war nicht nur seine Schweigsamkeit und Feinfühligkeit, es war eine Intensität, die er auch dann verströmte, wenn er nur beobachtete.
    »Warum leben Sie hier?« fragte er.
    »Ich wurde hier geboren.«
    »Ja, aber Sie haben die Jahre Ihrer Kindheit auf Tau Ceti Center verbracht. Ihr Vater war Senator.«
    Ich sagte nichts.
    »Viele Leute haben erwartet, daß Sie in die Politik gehen würden«, sagte er. »Hat der Selbstmord Ihres Vaters Sie davon abgehalten?«
    »Es war kein Selbstmord«, sagte ich.
    »Nicht?«
    »Es wurde in allen Zeitungen und Nachrichtensendungen behauptet«, sagte ich leise, »aber sie haben sich alle geirrt. Mein Vater hätte sich niemals das Leben genommen.«
    »Also war es Mord?«
    »Ja.«
    »Obwohl es kein Motiv und nicht die Spur eines Verdächtigen gegeben hat?«
    »Ja.«
    »Ich verstehe«, sagte Johnny. Das gelbe Leuchten der Lampen des Ladedocks fiel durch die staubigen Scheiben herein und verlieh seinem Haar den Glanz neuen Kupfers. »Sind Sie gern Detektivin?«
    »Wenn es mir gut gelingt«, sagte ich. »Haben Sie Hunger?«
    »Nein.«
    »Dann schlafen wir etwas. Sie können die Couch haben.«
    »Gelingt es Ihnen oft gut?« sagte er.

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