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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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es Ihnen vorlese? Es strömt wieder. Lesen Sie die alten Verse. Lesen Sie die Gesänge, die ich vor drei Jahrhunderten geschrieben und nie veröffentlicht habe. Es ist alles da. Wir sind alle da. Mein Name, Ihrer, diese Reise. Begreifen Sie denn nicht ... ich schaffe kein Gedicht, ich schaffe die Zukunft!« Er ließ die Blätter fallen, hob die leere Flasche hoch, runzelte die Stirn und hielt sie wie einen Abendmahlskelch. »Ich schaffe die Zukunft«, wiederholte er, ohne aufzusehen, »aber die Vergangenheit muß verändert werden. Ein Augenblick. Eine Entscheidung.«
    Martin Silenus hob den Kopf. Seine Augen waren rot. »Dieses Ding, das uns morgen töten wird – meine Muse, unser Schöpfer, unser Vernichter ist rückwärts durch die Zeit gereist. Nun, soll es. Diesmal soll es mich nehmen und Billy verschonen. Soll es mich nehmen und das Gedicht da enden lassen, für alle Zeiten unvollendet.« Er hob die Flasche höher, machte die Augen zu und schleuderte sie gegen die Wand gegenüber. Glasscherben reflektierten orangefarbenes Leuchten der stummen Explosionen.
    Oberst Kassad kam näher und legte dem Dichter die langen Finger auf die Schulter.
    Für einen Augenblick schien es allein durch die menschliche Nähe wärmer in dem Zimmer zu werden. Pater Lenar Hoyt ging von der Wand weg, wo er gelehnt hatte, hob die rechte Hand, so daß sich Daumen und kleiner Finger berührten und drei Finger abgespreizt waren, eine Geste, die irgendwie ihn selbst wie auch die vor ihm einschloß, und sagte leise: »Ego te absolvo.«
    Wind pfiff um die Außenmauern und heulte um die Monsterfratzen und Balkone. Licht einer hundert Millionen Kilometer entfernten Schlacht tauchte die Gruppe in blutrote Farbtöne.
    Oberst Kassad ging zur Tür. Die Gruppe machte ihm Platz.
    »Versuchen wir zu schlafen«, sagte Brawne Lamia.
    Als er später allein in seinem Schlafsack lag und hörte, wie der Wind pfiff und kreischte, legte der Konsul die Wange auf den Rucksack und zog die Decke höher. Es war Jahre her, seit er zum letzten Mal friedlich eingeschlafen war.
    Der Konsul hielt die geballte Faust an die Wange, machte die Augen zu und schlief.
     

EPILOG
    Der Konsul erwachte durch die Klänge einer Balalaika, die so leise gespielt wurde, daß er es zuerst für eine unterschwellige Strömung seines Traums hielt.
    Der Konsul stand auf, zitterte in der kalten Luft, schlang die Decke um sich und ging auf den langen Balkon hinaus. Es dämmerte noch nicht. Am Himmel brannten immer noch die Lichter der Schlacht.
    ›Tut mir leid‹, sagte Lenar Hoyt, der von dem Instrument aufsah. Der Priester hatte sich in seine Robe gekuschelt.
    ›Schon gut‹, sagte der Konsul. ›Ich wäre sowieso wach geworden.‹ Das stimmte. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich jemals so ausgeruht gefühlt hatte. ›Bitte spielen Sie weiter‹, sagte er. Die Töne waren scharf und klar, aber über dem Lärm des Windes kaum zu hören. Es war, als würde Hoyt ein Duett mit den kalten Böen von den Berggipfeln über ihnen spielen. Der Konsul fand die Klarheit beinahe schmerzlich.
    Brawne Lamia und Oberst Kassad kamen heraus. Eine Minute später gesellte sich auch Sol Weintraub zu ihnen. Rachel wand sich in seinen Armen und streckte die Händchen zum Nachthimmel aus, als wollte sie die grellen Blüten dort ergreifen.
    Hoyt spielte. In der Stunde vor der Dämmerung nahm der Wind zu, die Monsterfratzen und Erker wirkten wie Orgelpfeifen zum kalten Fagott des Keep.
    Martin Silenus kam heraus und hielt sich den Kopf. ›Kein Respekt vor einem Kater‹, sagte er. Er lehnte sich auf das breite Geländer. Wenn ich in dieser Höhe reihere, dauert es eine halbe Stunde, bis die Kotze unten ankommt.‹
    Pater Hoyt blickte nicht auf. Seine Finger strichen über die Saiten des kleinen Instruments. Der Nordwestwind wurde heftiger und kälter, und die Balalaika spielte mit ihren warmen, lebendigen Klängen den Kontrapunkt. Der Konsul und die anderen hüllten sich in Decken und Capes, während der Wind zum Orkan wurde und die namenlose Musik damit Schritt hielt. Es war die seltsamste und schönste Symphonie, die der Konsul je gehört hatte.
    Der Wind wurde böig, brüllte auf, schwoll an und verstummte. Hoyt beendete seine Melodie.
    Brawne Lamia sah sich um. ›Es dämmert fast.‹
    ›Wir haben noch eine Stunde‹, sagte Oberst Kassad.
    Lamia zuckte die Achseln. ›Warum warten?‹
    ›Wahrlich, warum?‹ sagte Sol Weintraub. Er sah nach Osten, wo der einzige Hinweis auf den Sonnenaufgang ein

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