Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
den er kannte? Irgendwie kennen sollte? »Mein Gott, Arundez!« sagte er. »Sie waren der Freund von Rachel Weintraub, als sie vor Jahrzehnten hierher kam.«
»Eigentlich ihr Doktorvater«, sagte Arundez. »Ich kenne Sie. Sie haben Sol auf der Pilgerfahrt begleitet.« Sie blieben dort stehen, wo Theo immer noch saß, den Kopf in die Hände gestützt. »Mein Gleiter steht da drüben«, sagte Arundez.
Der Konsul sah einen kleinen Vikken Zephyr für zwei Personen unter den Bäumen stehen. »Großartig. Wir bringen Theo ins Krankenhaus, dann muß ich unverzüglich zum Raumhafen.«
»Das Krankenhaus ist so überfüllt, daß das reine Chaos herrscht«, sagte Arundez. »Wenn Sie versuchen wollen, zu Ihrem Schiff zu gelangen, würde ich vorschlagen, Sie bringen den Generalgouvemeur dorthin und überlassen ihn der MedEinheit des Schiffs.«
Der Konsul dachte nach. »Woher wissen Sie, daß ich ein Schiff dort stehen habe?«
Arundez ließ die Tür aufklappen und half Theo Lane auf die schmale Bank hinter den vorderen Kontursitzen. »Ich weiß alles über Sie und die anderen Pilger, M. Konsul. Ich versuche seit Monaten, Erlaubnis zu bekommen, ins Tal der Zeitgräber zu reisen. Sie können sich meine Frustration nicht vorstellen, als ich hörte, daß Ihre Barke heimlich mit Sol an Bord aufgebrochen war.« Arundez holte tief Luft und stellte eine Frage, die er sich eindeutig bisher nicht getraut hatte. »Lebt Rachel noch?«
Er war ihr Liebhaber, als sie eine erwachsene Frau war, dachte der Konsul. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich versuche, rechtzeitig zu ihr zurückzugelangen, um ihr zu helfen, wenn ich kann.«
Melio Arundez nickte, ließ sich auf dem Fahrersitz nieder und bedeutete dem Konsul einzusteigen. »Wir versuchen zum Raumhaufen zu kommen. Bei den Kampfhandlungen wird es nicht leicht sein.«
Der Konsul lehnte sich zurück und spürte Prellungen, Aufschürfungen und Erschöpfung, als der Sitz ihn umhüllte. »Wir müssen Theo – den Generalgouverneur – zum Konsulat oder Regierungsgebäude, oder wie sie es jetzt auch immer nennen, bringen.«
Arundez schüttelte den Kopf, startete und fuhr die Schubdüsen hoch. »Nn-nnn. Das Konsulat existiert nicht mehr, laut Nachrichten wurde es von einem verirrten Marschflugkörper getroffen. Sämtliche Beamte der Hegemonie sind zum Raumhafen gebracht und evakuiert worden, bevor Ihr Freund sich auf die Suche nach Ihnen gemacht hat.«
Der Konsul betrachtete den halb bewußtlosen Theo Lane. »Gehen wir«, sagte er leise zu Arundez.
Der Gleiter geriet unter Beschuß, als sie den Fluß überquerten, aber die Projektile prallten an der Hülle ab und das Energiefeuer zischte unter ihnen und erzeugte zehn Meter hohe Dampfwolken. Arundez flog wie ein Irrer – er raste, schwenkte, kreiste, gierte und drehte den Gleiter gelegentlich um die eigene Achse wie einen Teller, der auf einem Meer aus Murmeln schlittert. Die Sicherungsklammern des Sitzes schlossen sich um den Konsul, doch dieser fühlte sich dennoch dem Erbrechen nahe. Hinter ihnen drehte Theo Lane, der bewußtlos geworden war, den Kopf hin und her.
»Die Innenstadt ist ein Chaos!« brüllte Arundez über das Dröhnen der Schubdüsen hinweg. »Ich folge dem alten Viadukt zur Raumhafenstraße und kürze dann im Tiefflug über das flache Land ab.« Sie kreisten um ein ausgebranntes Gebäude, in dem der Konsul verspätet seinen eignen Wohnkomplex erkannte.
»Ist die Raumhafenstraße noch frei?«
Arundez schüttelte den Kopf. »Würden wir nie schaffen. Dort landen seit dreißig Minuten Fallschirmspringer.«
»Versuchen die Ousters, die Stadt zu zerstören?«
»Nn-nnn. Das hätten sie ohne große Mühe aus dem Orbit machen können. Sie scheinen die Stadt nur abzuriegeln. Der Großteil ihrer Landungsboote und Fallschirmspringer landen mindestens zehn Klicks draußen.«
»Kämpft unser SST gegen sie?«
Arundez lachte und bleckte weiße Zähne, die mit seiner braungebrannten Haut kontrastierten. »Die dürften inzwischen auf halbem Weg bei Endymion und Port Romance sein ... aber Berichte, die zehn Minuten vor Lahmlegung der Komverbindungen durchkamen, sprechen davon, daß auch diese Städte inzwischen angegriffen werden. Nein, das bißchen Widerstand, das Sie sehen, kommt von einigen FORCE-Marines, die zurückgelassen wurden, um Stadt und Raumhafen zu bewachen.«
»Demnach haben die Ousters den Raumhafen nicht zerstört oder erobert?«
»Noch nicht. Jedenfalls vor ein paar Minuten noch nicht. Wir werden es gleich sehen.
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