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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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erschießen, der ihn auch nur schief ansah.
    »Netzenglisch ist eine so subtile Sprache«, sagte er.
    »Der Ausdruck ist älter als das Netz«, sagte ich. »Aber halte dich daran.« Ich drückte seine Hand und ging, ohne mich noch einmal umzudrehen.
    Ich nahm ein Lufttaxi zum Verwaltungskomplex und musste etwa neun Leibesvisitationen über mich ergehen lassen, bis sie mich auf das Gelände des Zentrums ließen. Ich ging den halben Klick über den Hirschpark zu Fuß, bewunderte die Schwäne im nahegelegenen See und die weißen Gebäude auf dem Hügel in der Ferne, und dann folgten noch einmal neun Überprüfungen, ehe eine Wachdame des Zentrums mich den Kopfsteinpflasterweg zum Regierungsgebäude entlangführte, einem anmutigen Bauwerk zwischen Blumenbeeten und gärtnerisch angelegten Hügeln. Dort gab es ein elegant möbliertes Wartezimmer, aber ich hatte kaum Zeit, mich auf ein authentisches Prä-Hegira-De-Kooning zu setzen, als auch schon ein Attaché auftauchte und mich ins Privatbüro der Präsidentin führte.
    Meina Gladstone kam um den Schreibtisch herum, schüttelte mir die Hand und geleitete mich zu einem Sessel. Es war seltsam, sie leibhaftig wiederzusehen, nachdem ich sie so viele Jahre nur im HTV zu sehen bekommen hatte. Leibhaftig war sie noch eindrucksvoller: Das Haar hatte sie kurz geschnitten, dennoch schien es in grauweißen Locken nach hinten zu wehen; ihre Wangen und das Kinn waren so scharfgeschnitten und lincolnesk, wie alle geschichtskundigen Klatschreporter berichteten, aber es waren die großen, traurigen braunen Augen, die das Gesicht beherrschten und einem das Gefühl gaben,
als befände man sich in Gegenwart einer wahrhaft einmaligen Persönlichkeit.
    Ich stellte fest, dass mein Mund trocken war. »Danke, dass Sie mich empfangen, M. Präsident. Ich weiß, wie beschäftigt Sie sind.«
    »Ich bin nie zu beschäftigt, dich zu empfangen, Brawne. Ebenso wenig wie dein Vater jemals zu beschäftigt gewesen ist, mit mir zu reden, als ich noch eine junge Senatorin war.«
    Ich nickte. Dad hatte Meina Gladstone einmal als das einzige politische Genie der Hegemonie bezeichnet. Er wusste, dass sie eines Tages Präsidentin sein würde, obwohl sie erst recht spät in die Politik gegangen war. Ich wünschte, Dad hätte es noch erleben können.
    »Wie geht es deiner Mutter, Brawne?«
    »Gut, M. Präsident. Sie verlässt unseren alten Sommerwohnsitz auf Freeholm kaum noch, aber ich sehe sie an jedem Weihnachtsfest.«
    Gladstone nickte. Sie hatte beiläufig auf dem gewaltigen Schreibtisch gesessen, der einmal, behauptete die Regenbogenpresse, einem ermordeten Präsidenten der USA vor dem Großen Fehler – nicht Lincoln – gehört hatte, doch nun lächelte sie und ging zu dem einfachen Stuhl dahinter. »Ich vermisse deinen Vater, Brawne. Ich wünschte, er säße in dieser Regierung. Hast du den See gesehen, als du hereingekommen bist?«
    »Ja.«
    »Kannst du dich noch erinnern, wie du hier mit meiner Kresten Schiffe hast schwimmen lassen, als ihr beide noch Babys wart?«
    »Kaum, M. Präsident. Ich war ziemlich jung.«
    Meina Gladstone lächelte. Die Sprechanlage summte, aber sie brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Was kann ich für dich tun, Brawne?«
    Ich holte tief Luft. »M. Präsident, Ihnen ist vielleicht bekannt,
dass ich als unabhängige Privatermittlerin arbeite.« Ich wartete nicht auf ihr Nicken. »Ein Fall, an dem ich gerade arbeite, hat mich zu Dads Selbstmord zurückgeführt.«
    »Brawne, du weißt, der ist überaus gründlich untersucht worden. Ich habe den Ermittlungsbericht gelesen.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich auch. Aber ich habe in jüngster Zeit einige recht seltsame Dinge über den TechnoCore und sein Verhalten gegenüber der Welt Hyperion herausgefunden. Haben Sie und Dad nicht an einem Gesetzentwurf gearbeitet, der Hyperion in das Protektorat der Hegemonie hatte bringen sollen?«
    Gladstone nickte. »Ja, Brawne, aber in diesem Jahr wurden über ein Dutzend andere Kolonialwelten in Erwägung gezogen. Keine wurde aufgenommen.«
    »Richtig. Aber haben der Core oder die KI-Ratgeber ein besonderes Interesse an Hyperion gezeigt?«
    Die Präsidentin klopfte mit einem Füller auf die Unterlippe. »Was für Informationen hast du, Brawne?« Ich wollte antworten, aber sie hielt einen dicken Finger hoch. »Warte!« Sie drückte auf eine Taste. »Thomas, ich gehe ein paar Minuten raus. Bitte sehen Sie zu, dass die Handelsdelegation von Sol Draconi versorgt wird, sollte ich mich ein

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