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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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mehr als ein Jahr gebraucht, bis ich begriff, daß er das aus Höflichkeit tat. Schirra glaubte, daß er uns durch Small Talk schonend auf die spätere Eröffnung seiner Nachrichten vorbereiten müsse.
    Als er mit seiner Einleitung endlich fertig war, rückte er nach und nach mit den Einzelheiten heraus. An diesem Abend erlebten wir einen verwandelten Christian Schirra. Nie hatten wir ihn so entspannt gesehen wie an diesem Tag. Hätte sich unser Gespräch nicht um einen Sexualmord gedreht, man hätte meinen können, Schirra wäre geradezu fröhlich geworden. Er wirkte, als sei eine schwere Last von ihm genommen.
    „Ich glaube, wir haben ihn.“ Er lächelte einen Moment und wurde dann sofort wieder ernst. „Ich weiß, daß das Florian nicht wieder lebendig macht, aber es sieht wirklich so aus, als hätten wir den Täter gefaßt.“
    „Sieht es nur so aus - oder ist es diesmal tatsächlich so?“
    „Er hat vor einer Woche ein Geständnis unterschrieben.“
    „Und das sagen Sie uns erst jetzt?“
    „Moment“, Schirra hob abwehrend beide Hände, „er hat es gestern widerrufen. Ich bin froh, daß ich Ihnen nicht schon früher was gesagt habe.“
    „Dann haben Sie ihn ja doch nicht“, rief Michael und begann, im Wohnzimmer auf- und abzulaufen.
    Schirra sah mich an. „Hätten Sie was anderes als diesen grünen Tee, vielleicht ein Glas Wein?“
    Michael überhörte ihn und lief weiter im Zimmer umher. Ich ging in die Küche und kam mit einer Tüte Kartoffelchips, einer Flasche Rotwein und drei Gläsern zurück. Schirra trank sein Glas in zwei Zügen leer und machte sich dann über die Chips her.
    „Jeder kann ein Geständnis widerrufen. Aber das macht auf den Richter keinen Eindruck. Es zählt das, was ein Verdächtiger beim ersten Mal gesagt, gestanden und unterschrieben hat.“
    „Und was hat er gestanden? Ist das der Typ aus der DDR, von dem Sie ...“
    Schirra goß sich ein zweites Glas Wein ein und schüttete die restlichen Chips in die Glasschüssel vor ihm.
    „Vielleicht ist es besser, ich fange ganz vorne an. Sie hören mir zehn Minuten lang zu, ohne mich andauernd zu unterbrechen, und dann“, sagte er ganz ohne Ironie, „bin ich gerne bereit, Ihre weiteren Fragen zu beantworten.“
    „Komm“, sagte ich zu Michael und zog ihn neben mich auf die Couch.
    „Der Mann heißt Falko Nicolai. Er stammt aus der ehemaligen DDR, aus irgendeinem Nest in der Nähe von Leipzig. Er ist zweiundzwanzig Jahre alt, arbeitslos und wegen Vergewaltigung vorbestraft. Mit siebzehn hat er zwei Frauen in Zeitz, das ist auch irgendwo in der Nähe von Leipzig, vergewaltigt. Die eine hat er fast umgebracht. Ich weiß nicht warum, aber er bekam dafür nur sechzehn Monate auf Bewährung. Danach hat er eine Ausbildung zum Koch angefangen, aber nie abgeschlossen. Wenn er überhaupt arbeitete, dann als Küchenhelfer. 1992 ist er auf Vermittlung des Arbeitsamtes nach Saarbrücken gekommen und wurde hier vom Partyservice La Carotte in der Küche beschäftigt. Er war der Vorbesitzer des blauen ...“
    Ich wollte Schirra unterbrechen, aber er hob eine Hand und schüttelte dabei den Kopf.
    “ … gleich … Opel Corsa, den er später an einen Händler im Ruhrgebiet verkauft hat. Über diesen Händler, das hatte ich Ihnen ja erzählt, sind wir überhaupt auf ihn gekommen. Mit dem Namen war es kein Problem, Nicolai ausfindig zu machen. Er lebte wieder in der Nähe von Zeitz bei seiner Mutter, und da wurde er zuerst von den Kollegen im Osten vernommen. Dabei hat er sich schnell in Widersprüche verwickelt. Vor zwei Wochen bin ich mit Delanque nach Leipzig gefahren, um ihn zu verhören. Einmal hat er dabei behauptet, er hätte den Corsa nur geliehen, dann gehörte er wieder ihm, einmal war er nur besuchsweise in Saarbrücken, und ein anderes Mal war er Chefkoch in einem Hotel. Mit diesen Widersprüchen und mit seiner Vergangenheit war er verdächtig. Letzte Woche wurde der Haftbefehl ausgestellt. Seitdem sitzt er in der Justizvollzugsanstalt am Lerchesflurweg.“
    „Ja und ist das jetzt der Täter?“
    „Ich bin mir vollkommen sicher.“
    „Und wie kriegt man so was raus?“
    „Durch Zuhören. Am Anfang stelle ich immer vollkommen unverfängliche Fragen. Ich erkundige mich nach dem Auto, das der Verdächtige fährt, nach seinen Hobbys, seinen Lieblingssendungen im Fernsehen, frage nach Sportarten, die er mag. Dadurch taut er auf. Ich mache nie Vorwürfe, ja ich benenne am Anfang nicht einmal den Tatvorwurf mit seinem korrekten

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