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Die in der Hölle sind immer die anderen

Die in der Hölle sind immer die anderen

Titel: Die in der Hölle sind immer die anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Walker Jefferson
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nichts versäumt. Ich habe ihn einige Male getroffen, aber immer dienstlich und immer zusammen mit dem Polizeichef oder dem Innenminister. Ich war also ziemlich erstaunt, als er mich vor einer Woche abends zu Hause anrief. Er redete eine Zeitlang um den heißen Brei herum, bis er schließlich mit der Sache herausrückte: Es wäre jetzt nicht opportun , sagte er, jemanden aus den neuen Bundesländern mit einem Verbrechen im Saarland in Verbindung zu bringen. Ebensowenig opportun wäre es, wenn ein belgischer Staatsbürger in diesen Fall verwickelt wäre.“
    Wir starrten beide Schirra verständnislos an. „Was hat denn Lacour mit dem Mord an Florian zu tun?“
    „Das habe ich mich auch gefragt, denn Lacour interessiert sich ja für alles auf der Welt, aber nicht für die Bekämpfung von Verbrechen. Es ist auch nicht üblich, daß ein Ministerpräsident, und wenn es auch nur der des Saarlandes ist, ein kleines Licht wie mich privat anruft und ihm massiv droht.“
    „Womit konnte er Ihnen denn drohen?“
    Schirra lachte. „Ich habe vor vielen Jahren in der Mata Hari Bar einen Zuhälter erschossen. Das war aber kein normaler Zuhälter, sondern mehr ein Mädchenhändler, ein Elsässer, der Politikern, hohen Beamten und Managern auf exklusiven Partys blutjunge Geschöpfe zuführte. Unter den Kunden waren sehr prominente Namen, ein Bankdirektor, mehrere Minister, Unternehmer, ein Staatssekretär aus der Zeit von Hermann Röder, sogar ein Bischof war dabei. Diese Quelle habe ich zum Versiegen gebracht. Das hat einige Leute schwer verärgert. Die Sache wurde damals mit allerlei Tricks und Schlichen unter den Teppich gekehrt, aber irgendwie hat Lacour davon Wind bekommen. Wenn jetzt ein Journalist käme, so richtig im Dreck wühlt und die Geschichte noch mal aufrollt, dann könnte daraus eine ganz schöne Affäre werden. Und ich wäre Job und Pension los.“
    „Aber warum will er denn die Aufklärung des Mordes an Florian verhindern, das macht doch überhaupt keinen Sinn. Was hat denn Lacour für ein Interesse daran, daß Sie diesen Nicolai laufenlassen?“
    „Das habe ich mich auch gefragt. Ich habe einige Tage gebraucht, bis ich es kapiert habe. Meine Theorie lautet so: Jeder weiß, daß Lacour aus dem Saarland wegwill. Als Kanzlerkandidat ist er gescheitert. In Berlin kriegt er nie wieder einen Fuß auf den Boden. Also greift er nach den nächstbesten Posten, die sich bieten. Und was haben die Genossen für ihn? Er kann entweder Ministerpräsident von Sachsen werden, das wäre ihm am liebsten, dann regiert er ein wirklich großes Bundesland. Oder er geht nach Brüssel und wird dort EU-Kommissar. Das schmeckt ihm nicht so, weil es ein reiner Bürokratenjob ist, aber dafür kriegt er viel Geld und kann ganze Regierungen in den Arsch treten. Wenn er aber nach Brüssel geht, haben die Belgier ein Wörtchen mitzureden. Regiert er in Sachsen, dann will er keinen Ärger mit unseren neuen Landsleuten da drüben.“
    Schirra lehnte sich einen Moment zurück, als müßte er nachdenken, dann zündete er sich wieder eine Zigarette an.
    „Begreifen Sie jetzt, warum er mir droht?
    Ich sah Schirra kopfschüttelnd an.
    „Das heißt, Sie hatten die Anweisung, Florians Mörder laufen zu lassen, weil Lacour auf der Suche nach einem neuen Posten ist und ihm die Festnahme von Nicolai dabei in die Quere käme?“
    „So hat er das natürlich nicht gesagt, aber darauf wäre es hinausgelaufen. Nicolai hat Ihren Sohn getötet, da bin ich mir vollkommen sicher. Mit einem hieb- und stichfesten Alibi von Khouraïchi Faye hätten wir aber vor Gericht keine Chance gehabt - trotz aller Indizien. Hätte ich das getan, was Lacour verlangt hat, dann hätten wir Nicolai freilassen müssen. Natürlich hätten wir brav weiterermittelt, viele Jahre im Nebel gestochert, die Soko wäre immer kleiner und kleiner geworden, bis sie am Schluß nur noch aus einem Beamten bestanden hätte, damit keiner sagen kann, wir hätten die Hoffnung aufgegeben oder wären faul. Nur den wahren Täter, den hätten wir nie gefunden.“
    „Aber es kann doch nicht sein, daß ein Ministerpräsident in die Ermittlungen in einem Mordfall eingreift?“
    „Ach Gott, was sind Sie naiv. Ob wir den Fall aufklären oder nicht, ist doch Lacour scheißegal. Der will wieder einen Posten, wo er Macht hat, und nicht immer nur zu Hause sitzen, mit dem Baby spielen und Bücher darüber schreiben, wie der wahre Sozialismus ausschaut.“
    Allmählich verstand ich, warum Christian Schirra sich

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