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Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Titel: Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Haarmann
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5800 v. Chr. das früher kältere Klima in Europa ablöste. Die Drift setzte um 5600 v. Chr. ein, brachte Siedler von den Küsten des Schwarzen Meeres aus nach Westen und erreichte in wenigen Jahrhunderten Zentraleuropa und Nordfrankreich (Scarre 2005a: 407ff.).
    Wenn sich der Ackerbau also nicht mit migrierenden Indoeuropäern verbreitet hat, dann besteht auch keine Veranlassung, die indoeuropäische Urheimat in Anatolien zu suchen. Als einzige schlüssige Alternative bleibt die Annahme von Migrationen aus dem Osten Europas, und zwar nicht von Ackerbauern, sondern von Viehnomaden, die sich – wie schon vor ihnen die Jäger und Sammler – im Zuge ihrer Westbewegung akkulturierten.
    Das Gebiet, von dem aus die Expansion der Steppennomaden erfolgte, die Urheimat der Indoeuropäer, erstreckt sich nach allem, was wir heute wissen, über die Zone der Waldsteppe und Steppe nach Osten bis ins Flusstal des Ural und der Samara, eines Nebenflusses der Wolga, nach Westen bis zum Dnjepr und an den Rand der Kontaktzone zwischen Acker- und Weideland im Osten der Ukraine, und nach Süden bis ins Vorland des Kaukasus (Abb. 2).
    Während die Migranten der ersten Welle, die um die Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr. bis in den Nordosten Bulgariens (Varna) gelangten, noch Viehnomaden waren, waren die indoeuropäischen Kelten, die im 1. Jahrtausend v. Chr. die britischen Inseln besiedelten, reine Ackerbauern. Allerdings haben nicht die Kelten die Technologie des Pflanzenanbaus nach Britannien gebracht. Vielmehr hatten die dort siedelnden Alteuropäer – deren Vorfahren Stonehenge errichteten – bereits lange vor den Kelten Ackerbau betrieben.
    Wenn es sich so verhält, dass sich der Ackerbau in Europa vornehmlich durch Akkulturation verbreitet hat und deshalb in uns die Gene unserer paläolithischen Vorfahren kontinuierlichwirksam geblieben sind, gilt es die Frage zu beantworten, warum wir Sprachen sprechen, die sich vor 7000 Jahren von einem Epizentrum in der südrussischen Steppe aus verbreitet haben. Weiterhin ist abzuklären, warum die indoeuropäischen Nomaden überhaupt anfingen, so weiträumig zu migrieren.
    2 Geographische Umrisse der indoeuropäischen Urheimat (nach Anthony 2007: 84)
Indoeuropäer und Uralier in Osteuropa
    Zunächst stellt sich die Frage, was wir überhaupt über die Ethnogenese der Indoeuropäer wissen, wie und ab wann sie sprachlich-kulturell von ihren Nachbarn getrennt wahrnehmbar sind. Das Indoeuropäertum entfaltete sich offensichtlich unter bestimmten sozioökonomischen Bedingungen aus einer älteren Einheit mit den Uraliern. Die Epizentren beider Populationen liegen im östlichen Europa und heben sich auf den genetischen Karten deutlich ab (Cavalli-Sforza 2000: 114, 117), wobei die Urheimat der Uralier im Norden des indoeuropäischen Verbreitungsgebiets zu lokalisieren ist.
    Selbst wenn es keine zwingenden humangenetischen Gründe gäbe, die Urheimat der Indoeuropäer wie der Uralier in Osteuropa zu suchen, so drängt sich eine rein sprachliche Argumentation auf, die unzweifelhaft dafür spricht. Für den Wortschatz und die grammatischen Strukturen sowohl der indoeuropäischen als auch der uralischen Sprachen lassen sich konvergente Elemente rekonstruieren, die eindeutig nicht auf wechselseitiger Entlehnung beruhen, sondern für deren Existenz es nur eine sinnvolle Erklärung gibt: Es handelt sich um Konstituenten einer Urverwandtschaft zwischen beiden Sprachfamilien (Hajdú/Domokos 1987: 234f.).
    Auffallend sind Konvergenzen in der Lexik, z.B. ie. ∗
mozge-
vs. ural. ∗
mośke-
vs. finn.-ugr. ∗
muśke
(> ungar.
mos)
‹wäscht› oder:
ie. ∗ wed-
vs. ural. ∗
wite
vs. finn.-ugr. ∗
wete
(> ungar.
víz)
‹Wasser› und viele mehr.
    Unverkennbare Parallelen gibt es auch im Pronominalsystem. So sind für das proto-uralische Personalpronomen im Singular die angehängten Formen PU
∗ -me, ∗ -te, ∗ -se
erschlossen, für das Proto-Indoeuropäische die vorangestellten Formen PIE ∗
me-, to- und
(reflexivisch) ∗
se-.
Ähnliche Konvergenzen gibt es beim Demonstrativpronomen: PIE ∗
te-/to-
vs. PU ∗
tä-/to-
‹dies/das› und beim Fragepronomen: PIE ∗
k w e/o-
vs. PU ∗
ke-/ku-
‹wer/was›. Und auch im grammatischen Bau wurden Übereinstimmungen rekonstruiert, z.B. die Endung des Akkusativ Sg.: PIE ∗
-m
vs. PU ∗
-m;
Genitiv Pl.: PIE ∗
-om
vs. PU ∗ -
n
).
    Urverwandtschaften zwischen einzelnen Sprachfamilien sind das Arbeitsfeld der

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