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Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Titel: Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Haarmann
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reichten Hunde nicht aus. Hier ist eine entscheidende Motivation dafür zu suchen, Wildpferde zu zähmen und zu reiten. Berittene Hirten konnten die Bewegungen ihrer Herden weiträumig kontrollieren. Pferde kommen mit Ziegen und Schafen zurecht und werden in vielen Nomadenkulturen in einer gemischten Herde zusammengehalten. Dies kann man beispielsweise in der Mongolei bis heute beobachten. Außerdem können Pferde mit ihren harten Hufen verharschte Schneekrusten aufbrechen, was in strengen Wintern mit langen Frostperioden das Überleben ganzer Herden sichern kann. Dies lässt sich bis heute bei den kalmykischen Nomaden am Rande der kaspisch-pontischen Steppe beobachten.
    Gezähmte Pferde wurden schon bald unverzichtbar für die Nomadenwirtschaft, als Leittiere zur Erkundung futterreicher Weiden, als Nahrungslieferanten (Stutenmilch, Fleisch), als Reittiere für Hirten, als Lasttiere für den Transport von Bauteilen der jurtenähnlichen Behausungen und von Hausrat. Im Laufe der Zeit diente das Pferd auch als herdenunabhängiges Reittier für Schutzpatrouillen der Nomadensippen. Ganze Reiterformationenwie zur Zeit der Skythen im 1. Jahrtausend v. Chr. hat es bei den prähistorischen Nomaden der südrussischen Steppe sehr wahrscheinlich noch nicht gegeben. Es bestand damals kein Bedarf für den Unterhalt größerer militärischer Einheiten.
    4 Die Verbreitung von Szeptern aus Stein mit Pferdekopfverzierung (nach Dergachev 2007: 147)
I südl. Grenze der Waldsteppe, II südliche Grenze der Steppe, III Grenze der Halbwüste
1 Chvalynsk-Kultur (A – mittlere Wolga, B – nordkaspisch, C – ostkaspisch), 2 Danilov-Kultur (A – östlich, B – westlich), 3 Maikop-Kultur, 4 Srednij Stog, 5 Cucuteni-Trypillya, 6 Karanovo-Gumelnica, 7 Krivodol-Selkuta
Schwarze Symbole weisen auf eine Häufung von Funden, weiße Symbole auf weniger häufige Funde.
    In der Kultur der frühen Indoeuropäer finden sich viele Elemente und Symbole, die mit dem Pferd assoziiert sind. In den mythischen Vorstellungen, die sich anhand des Wortschatzes der proto-indoeuropäischen Grundsprache sowie von Figurinen- und Kleinplastikfunden rekonstruieren lassen, spiegelt sich die besondere Rolle des Pferds in dieser frühen Gesellschaft. Dieweite Verbreitung von Statussymbolen (d.h. Szeptern) mit modellierten und stilisierten Pferdeköpfen spricht für die Existenz eines Pferdekults, der auch politische Dimensionen hatte (Dergachev 2007: 101ff.). Das Verbreitungsareal solcher Szepter gibt uns Hinweise auf die frühen Bewegungen der Viehnomaden in der Steppenzone und darüber hinaus (s. Abb. 4).
    Die archäologische Hinterlassenschaft und später die schriftliche Überlieferung der einzelnen indoeuropäischen Völker zeigen, dass das Pferd über Tausende von Jahren bei den Viehnomaden Eurasiens und in den frühen Zivilisationen des Nahen Ostens eine zentrale Rolle gespielt hat. Dies stellt sich in der Gesamtschau folgendermaßen dar (s. Tabelle auf folgender Seite).
    Diese prominente Rolle des Pferds in der Wirtschaft, Kultur, im Gemeinschaftsleben und in der Mythologie ist ein weiteres Argument gegen die abwegige Theorie, die indoeuropäische Urheimat auf dem Balkan zu suchen, wo eben dieses wichtige Symbol soziokultureller Identifikation des Indoeuropäertums fehlt. Im Neolithikum war das Pferd auch in Anatolien noch unbekannt; es gelangte erst mit den Hethitern im 2. Jahrtausend v. Chr. dorthin.
    Für ‹Pferd› ist folgende proto-indoeuropäische Form rekonsturiert worden:
∗ h 1 ék u os,
und dieses Wort taucht in zum Teil stark gewandelter Form in zahlreichen indoeuropäischen Sprachen auf. Am stärksten divergiert die Lautung wegen der unterschiedlichen Entwicklung von -
k u -,
das sich in einigen Sprachen zu -
k-
wandelt (Centum-Sprachen), in anderen zu -
s-
(Satem-Sprachen; s. Kap. 3). Sprachen des Westens: latein.
equus,
altir.
ech,
gall.
epo-
(davon abgeleitet der Name der keltischen Pferdegöttin, Epona), lit.
ašvíenis
‹Hengst› u.a.; Sprachen des Südens: griech.
hippos,
luw.
azu(wa),
lyk.
esbe-,
armen.

u.a.; Sprachen des Ostens: altpers.
asa-,
altind.
áśva-,
tochar.
yakwe.
    Da die Grundsprache sich aber spätestens um 2500 v. Chr. auflöste, und Pferd und Wagen erst danach in Südosteuropa auftauchen, spricht auch dies gegen das Postulat einer anatolisch-balkanischen Urheimat. Es passt aber alles sehr gut zusammen, wenn man das östliche Europa (westlich des Urals) als Urheimatidentifiziert. Von dort wurden das Pferd,

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