Die Insel Der Abenteuer
schwerfälligen Sam und den verdrießlichen, kleinen Oliver sich selbst und gingen zusammen fort. Die Jungens sprachen von den Vögeln und anderen Tieren, die sie kannten. Lucy stolperte nebenher und hörte zu. Wie weit sie auch wanderten, was für steile Berge sie auch erkletterten, das Mädchen folgte ihnen. Sie war nicht gewillt, ihren geliebten Bruder aus den Augen zu lassen.
Philipp war manchmal ungeduldig mit Lucy. »Na —, ich bin nur heilfroh, daß Dina nicht so hinter mir herläuft wie Lucy hinter Jack«, dachte er. »Ich wundere mich, daß Jack sich das gefallen läßt.«
Aber so war es. Obwohl Jack Lucy oft nicht zu beachten schien und manchmal überhaupt nicht mit ihr sprach, war er niemals ungeduldig mit ihr, niemals reizbar oder ärgerlich. »Lucy kommt bei ihm gleich hinter den Vögeln«, dachte Philipp. »Na, das ist vielleicht auch ganz gut. Es scheint sich ja sonst niemand so recht um sie zu kümmern.«
Die drei Kinder erzählten einander von ihrem Zuhause.
»Vater und Mutter sind beide tot«, sagte Jack. »Wir können uns nicht an sie erinnern. Sie kamen bei einem Flugzeu-gunglück ums Leben. Man schickte uns dann zu unserm einzigen Verwandten, Onkel Georg. Er ist alt und mürrisch und hat immer etwas an uns auszusetzen. Seine Haushälterin, Frau Miggles, mag es gar nicht, daß wir in den Ferien nach Hause kommen. Wenn du den alten Kiki reden hörst, kannst du dir vorstellen, wie wir dort leben.
Wisch dir die Füße ab! Schnüffle nicht! Wo ist dein Taschentuch? Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst nicht pfeifen! Kannst du nicht die Tür zumachen, du Idiot?«
Philipp lachte. »Ja, wenn Kiki das wiederholt, was er bei euch zu Hause hört, müßt ihr es ziemlich schlecht haben«, sagte er. »Wir haben es auch nicht großartig, aber doch besser als du und Lucy.«
»Sind eure Eltern auch tot?« fragte Lucy, und ihre grünen Augen starrten Philipp so unbeweglich an wie die einer Katze.
»Unser Vater ist tot — er hat kein Geld hinterlassen«, sagte Philipp. »Eine Mutter haben wir noch. Aber sie lebt nicht mit uns zusammen.«
»Warum nicht?« fragte Lucy überrascht.
»Weil sie ein Geschäft hat«, sagte Philipp. »Sie verdient genug, um unser Schulgeld und den Unterhalt während der Ferien zu bezahlen. Sie hat eine Agentur, das heißt, sie nimmt Aufträge für Plakate und Bilder und so was an, gibt sie an Künstler weiter und bekommt dafür eine Provi-sion. Sie ist sehr tüchtig, aber wir sehen nicht viel von ihr.«
»Ist sie nett?« fragte Jack. Da er sich nicht an seine Mutter erinnern konnte, interessierte er sich immer für die Mütter von anderen Kindern.
Philipp nickte. »Sie ist prima«, sagte er und sah in Gedanken seine tüchtige und hübsche Mutter vor sich. Er war stolz auf ihre Klugheit und doch auch heimlich traurig, wenn er daran dachte, wie müde sie manchmal aussah, wenn sie ihnen einen kurzen Besuch machte. Eines Tages, dachte Philipp, würde er klug sein, Geld verdienen, für alles sorgen und seiner schwer arbeitenden Mutter das Leben erleichtern.
»Und ihr wohnt auch bei einem Onkel wie wir?« fragte Lucy und streichelte ein winziges graues Eichhörnchen, das plötzlich seinen Kopf aus Philipps Tasche steckte.
»Ja. Dina und ich sind in den Ferien immer bei Onkel Jocelyn und Tante Polly«, sagte Philipp. »Onkel Jocelyn ist ganz unmöglich. Er kauft immer alte Bücher und Schrif-ten, um sie zu studieren und zu ordnen. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Geschichte unserer Küste zu schreiben. In alten Zeiten gab es dort Schlachten, Brände und Morde, alles sehr aufregend. Onkel Jocelyn schreibt nun ein ganzes Geschichtswerk. Aber da er ein Jahr dazu braucht, um ein oder zwei Tatsachen festzustellen, wird er wohl fünfhundert Jahre alt werden müssen, um ein Viertel des Buches fertig zu bekommen.«
Die andern lachten. Sie stellten sich einen mürrischen und gelehrten alten Mann vor, der über verstaubten Papieren brütete. »Was für eine Zeitverschwendung«, dachte Lucy. »Wie mag wohl Tante Polly sein?«
»Wie ist denn deine Tante?« fragte sie.
Philipp rümpfte die Nase. »Ein bißchen griesgrämig. Eigentlich ist sie nicht so schlecht, aber abgearbeitet und ohne Geld. Dazu hat sie keine Hilfe in dem alten Haus außer Jo-Jo, der eine Art Diener für alles ist. Sie läßt Dina tüchtig arbeiten. Mich hat sie aufgegeben, weil ich nicht mitmache. Aber Dina hat Angst vor ihr und tut, was sie ihr sagt.«
»Wie ist denn euer Haus?« fragte Lucy.
»Ein
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