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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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passiert war.
Wenn ich ihm doch nur geglaubt hätte,
sagte ich mir immer wieder. Aber ich hatte ihm nicht geglaubt, und auch niemand sonst hatte das getan. Ich ahnte, wie ihm deshalb zumute gewesen sein musste. Meine Version der Ereignisse jener Nacht war so lange plausibel, bis ich die Wörter laut aussprach. Dann hörte es sich nur noch gestört an. Das war vor allem an dem Tag der Fall, als ich es dem Police Officer erzählen musste, der zu uns nach Hause gekommen war. Ich beschrieb ihm genau, was in jener Nacht passiert war, und ließ auch diese widerliche Kreatur nicht aus. Er saß mir gegenüber am Küchentisch, nickte und schrieb nichts in sein Notizbuch. Als ich fertig war, sagte er: »Großartig, danke.« Und dann wandte er sich an meine Eltern, um sie zu fragen, ob ich »schon bei jemandem gewesen sei«. Als wüsste ich nicht, was er damit meinte. Ich sagte ihm, ich hätte noch eine weitere Aussage zu machen. Dann zeigte ich ihm den Stinkefinger und marschierte aus der Küche.
    Nach dieser Aktion schrien mich meine Eltern das erste Mal seit langem an. Welch vertrauter, süßer Klang. Ich schrie ein paar hässliche Dinge zurück. Dass sie bestimmt froh über Grandpa Portmans Tod seien. Dass ich der Einzige sei, der ihn wirklich geliebt habe.
    Der Cop und meine Eltern unterhielten sich noch eine Weile in der Einfahrt. Dann fuhr der Cop fort und kam nur eine Stunde später wieder. Er brachte einen Mann mit, der sich als Phantombildzeichner vorstellte. Er hatte einen dicken Zeichenblock dabei und bat mich, die Kreatur noch einmal zu beschreiben. Während ich das tat, zeichnete er, unterbrochen von kurzen Nachfragen.
    »Wie viele Tentakel, sagtest du?«
    »Drei.«
    »Hab ich«, sagte er, als wären Monster für einen Polizeizeichner etwas ganz Alltägliches.
    Dass ich mit dieser Inszenierung nur beruhigt werden sollte, war leicht zu durchschauen. Der Zeichner verriet sich endgültig, als er mir das fertige Bild geben wollte.
    »Brauchen Sie das nicht für Ihre … was weiß ich, für Ihre Akten oder so?«, fragte ich.
    Er wechselte einen fragenden Blick mit dem Cop. »Natürlich«, sagte er dann. »Was habe ich mir nur dabei gedacht?« Das Ganze war unglaublich verletzend.

    Nicht einmal mein bester und einziger Freund Ricky glaubte mir, obwohl er doch
dabei gewesen war,
verdammt noch mal! Aber er schwor Stein und Bein, dass er in jener Nacht in dem Wald keine Kreatur gesehen habe – obwohl ich sie sogar mit meiner Taschenlampe angeleuchtet hatte –, und genau das sagte er auch den Cops. Er hatte das Bellen gehört. Da waren wir uns einig. Es war also keine große Überraschung, als die Cops den Schluss zogen, dass ein Rudel wilder Hunde meinen Großvater getötet haben musste. Offenbar hatte das Rudel eine Woche zuvor in Century Woods eine Spaziergängerin angefallen und war auch an anderen Orten gesehen worden. Immer in der Dämmerung, wohlgemerkt – »Genau dann, wenn diese Kreaturen am schwersten zu erkennen sind!«, sagte ich, aber Ricky schüttelte nur den Kopf und murmelte, dass ich einen Hirnklempner brauche.
    »Du meinst Seelenklempner«, erwiderte ich. »Toll, wenn Freunde einen so unterstützen!« Wir saßen auf dem Dach unseres Hauses und sahen zu, wie die Sonne über dem Golf versank. Ricky hockte angespannt wie eine Feder in dem unverschämt teuren Adirondack-Stuhl, den meine Eltern von einer Reise nach Amish County mitgebracht hatten. Er hatte die Beine untergeschlagen, die Arme verschränkt und rauchte mit entschlossener Miene eine Zigarette nach der anderen. Ricky fühlte sich bei mir zu Hause unwohl. An dem Blick, den er mir von Zeit zu Zeit zuwarf, konnte ich jedoch ablesen, dass ihm jetzt nicht der Reichtum meiner Eltern Unbehagen verursachte – sondern ich.
    »Wie auch immer. Ich bin nun mal ehrlich zu dir«, sagte er. »Du machst dich doch selbst verrückt. Und dann brauchst du wirklich spezielle Hilfe, Special Ed.«
    »Nenn mich nicht so.«
    Er schnippte seinen Zigarettenstummel weg und spie einen feucht glänzenden Priem über das Geländer.
    »Hast du etwa gleichzeitig geraucht und Kautabak gekaut?«, fragte ich ihn.
    »Wer bist du, meine Mom?«
    »Sehe ich so aus, als würde ich Truckern für Essensmarken einen blasen?«
    Ricky war Experte für Mom-Witze, aber dieser durchstieß offenbar die Schmerzgrenze. Er sprang vom Stuhl auf und versetzte mir einen so heftigen Stoß, dass ich fast vom Dach gefallen wäre. Ich schrie, er solle verschwinden – aber er ging bereits.
    Es

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