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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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begann?«
    »Ich fürchte ja. Und wenn Miss Avocet tatsächlich von Wights gefangen gehalten wird, die berüchtigt sind für ihre meisterlichen Fähigkeiten im Bockspringen, dann ist davon auszugehen, dass Miss Avocet und die anderen Ymbrynes in die Vergangenheit verschleppt wurden. Dadurch sind sie noch schwieriger zu finden, und es ist besonders gefährlich, sich dorthin zu begeben. Das Terrain historischer Zeitschleifen ist unseren Feinden bestens vertraut. Sie lauern oftmals in der Nähe der Eingänge.«
    »Nun denn«, sagte ich. »Wie gut, dass ich mit euch gehe.«
    Emma sah mich an. »Das ist wunderbar!«, rief sie und umarmte mich. »Bist du sicher?«
    Ich bejahte. Trotz ihrer Müdigkeit applaudierten und pfiffen die anderen Kinder. Einige nahmen mich in den Arm. Sogar Enoch schüttelte mir die Hand. Aber als ich wieder zu Emma sah, war ihr Lächeln verschwunden.
    »Was ist los?«, fragte ich.
    Sie wippte unbehaglich auf der Stelle. »Es gibt etwas, das du wissen solltest«, sagte sie. »Aber ich fürchte, dass du uns dann nicht mehr begleiten willst.«
    »Das wird nicht passieren«, versicherte ich ihr.
    »Wenn wir von hier fortgehen, wird sich die Zeitschleife hinter uns schließen. Möglicherweise wirst du nie wieder in die Zeit zurückkehren können, aus der du gekommen bist. Zumindest nicht so leicht.«
    »Nichts zieht mich dorthin zurück«, sagte ich schnell. »Selbst wenn ich zurückkehren könnte, wäre ich nicht sicher, ob ich es wollte.«
    »Das sagst du jetzt. Du musst dir aber wirklich sicher sein.«
    Ich nickte und stand auf.
    »Wo willst du hin?«, fragte sie.
    »Ich gehe ein bisschen spazieren.«
    Ich lief nicht weit, spazierte nur gemächlich um den Garten herum und betrachtete den Himmel, der jetzt klar war und an dem Millionen Sterne funkelten. Sterne waren ebenfalls Zeitreisende. Wie viele dieser uralten Lichtpunkte waren wohl der letzte Nachhall längst vergangener Sonnen? Wie viele waren bereits geboren, aber ihr Licht war noch nicht bei uns eingetroffen? Wenn alle Sonnen außer unserer heute Nacht erloschen, wie viele Menschenalter würde es dauern, bis wir merkten, dass wir allein waren? Ich hatte immer gewusst, dass der Himmel voller Geheimnisse steckt – bisher hatte ich jedoch nicht geahnt, wie viele es erst auf der Erde gab.
    Ich erreichte die Stelle, an der der Weg in den Wald führte. In der einen Richtung lag mein Zuhause und alles, was mir vertraut war, es hatte nichts Geheimnisvolles, sondern war gewöhnlich und sicher. Aber das stimmte ja nicht mehr. Die Monster hatten Grandpa Portman ermordet, und mich hatten sie verfolgt. Früher oder später würden sie zurückkehren. Würde ich vielleicht eines Tages Dad verblutend auf dem Fußboden unseres Hauses finden? Oder meine Mom?
    In der anderen Richtung warteten die Kinder, standen in aufgeregten Grüppchen beisammen. Die meisten von ihnen konnten sich gar nicht mehr daran erinnern, wie es war, etwas für die Zukunft zu planen.
    Ich ging zu Emma zurück, die immer noch über dem schweren Buch brütete. Miss Peregrine saß neben ihr und pickte hier und da mit dem Schnabel auf die Karte. Als ich mich näherte, blickte Emma hoch.
    »Ich bin mir sicher«, sagte ich.
    Sie lächelte. »Das freut mich.«
    »Es gibt aber eine Sache, die ich noch erledigen muss, bevor wir abreisen.«
    * * *
    Ich schaffte es, vor Tagesanbruch zurück im Dorf zu sein. Der Regen hatte endlich nachgelassen, und am Horizont zeigte sich ein schmaler Streifen hell werdender Himmel. Die Hauptstraße sah aus wie ein Arm mit freigelegten Venen. Lange Rillen voller Wasser zogen sich durch den Schotter.
    Im Pub durchquerte ich den leeren Schankraum und stieg die Treppe hinauf zu unseren Zimmern. Die Vorhänge waren zugezogen, und die Tür zum Schlafzimmer meines Vaters war geschlossen. Erleichtert atmete ich auf, denn ich wusste immer noch nicht, wie ich ihm alles verständlich machen sollte. Stattdessen setzte ich mich mit Papier und Stift an den Tisch und schrieb ihm einen Brief.
    Ich gab mir Mühe, alles gut zu erklären. Ich schrieb über die Kinder und die Hollows und wie sich Grandpa Portmans Geschichten als wahr erwiesen hatten. Ich erzählte ihm, was Miss Peregrine und Miss Avocet zugestoßen war, und versuchte, ihm klarzumachen, warum ich gehen musste. Ich bat ihn, sich keine Sorgen zu machen.
    Dann las ich das Geschriebene noch einmal. Es war zwecklos. Er würde mir niemals glauben. Er würde denken, ich hätte den Verstand verloren, so wie Grandpa. Oder

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