Die Insel der Dämonen
hatte.
Marguerite bezweifelte, daß der Mann der Aufgabe gewachsen war. Er hatte weit verstreut liegende Besitztümer zu betreuen und er erschien ihr in allem furchtbar langsam und pedantisch. Alles mußte er sich notieren, nie gab er eine Auskunft, ohne vorher noch einmal in die Bücher zu sehen. Alles rechnete er mindestens dreimal nach, selbst wenn schon beim zweiten Mal das gleiche Ergebnis wie zuvor herausgekommen war. Aber, und das stand außer Frage, er war unbestechlich und vertrauenswürdig. Das war wichtig, vielleicht noch wichtiger als ausgewiesene Tüchtigkeit. Wer konnte schon wissen, wie lange sie fort sein würden? Nicht vor vier oder fünf Jahren würden sie zurückkommen, hatte ihr Onkel gesagt. Was für eine unvorstellbar lange Zeit! Würden sie überhaupt jemals wiederkommen? Sie hatte Cartiers Bericht gelesen. Dieses neue Land war gefährlich, die Natur ungezähmt, die Winter waren hart und die Eingeborenen unberechenbar. Sie bekam Angst, wenn sie daran dachte.
Endlich, am fünften Tag der Reise, näherte sich die kleine Gesellschaft dem Wald von Fontainebleau.
»Eigenartig, daß der König sein Schloß mitten im Wald baut und nicht näher bei Paris«, meinte Marguerite, die immer noch ein wenig enttäuscht davon war, daß sie nicht in die Stadt kam.
Damienne nickte: »Die Albernheiten der Könige! Ich hab ja nichts dagegen, daß er ein Schloß in seinem Lieblingsjagdrevier baut - aber daß deshalb gleich der ganze Hof hierher umziehen muß? Was ist mit Saint-Germain? Ein wundervolles, mächtiges Schloß! Als junges Mädchen war ich dort. Prachtvoll! Und es war für all seine Vorgänger gut genug. Jetzt steht es leer, nehme ich an. Verfällt wahrscheinlich zur Ruine. Und das hier? Ein Schloß, mitten im Wald! Der nächste König - möge Gott König François hundert Jahre alt werden lassen! - liebt vielleicht die Berge und will sein Schloß dann dort errichten. Und dann wird dieses Fontainebleau zur nächsten Ruine!«
»Ach, hör auf! Wenn ich Königin in der Neuen Welt werde, dann will ich mir auch ein eigenes Schloß bauen lassen!«
»Vizekönigin«, murmelte Damienne abwesend. »Außerdem habe ich gehört, daß die Könige dort auf Bäumen hausen.«
»Dann bin ich eben die Erste, die ein richtiges Schloß baut. Oder wenigstens ein richtiges Haus.«
»Eigenhändig? Oder dürfen dir ein paar Bauarbeiter zur Hand gehen, Majestät?«, spottete Damienne.
»Du nimmst mich nicht ernst«, schimpfte Marguerite und schaute aus dem Fenster der Kutsche. Der Forst schien kein Ende zu nehmen. Marguerite wurde ungeduldig. Der Abend dämmerte bereits und sie wollte das Schloß unbedingt bei Tageslicht sehen. Doch draußen standen nur schneebedeckte Baumreihen. Dann endlich sah sie die ersten Lichter durch die Bäume schimmern. Der Weg führte aus dem Wald heraus und in der Abenddämmerung lag Fontainebleau endlich vor ihnen und - es war eine Baustelle! Marguerite war verblüfft. Das hatte sie nicht erwartet. Das Gebäude, auf das sie zuhielten, strahlte festlich mit großen, hell erleuchteten Fenstern in die beginnende Nacht und wirkte wahrhaft königlich. Doch rechts und links davon schlossen sich unverputzte Gemäuer mit leeren Fensterhöhlen an. Gerüste standen an die Wände gelehnt und die Dächer waren nicht gedeckt und doch schien im Augenblick dort niemand zu arbeiten. Vielleicht wegen des strengen Frostes?
Die beiden Kutschen und ihre frierende Eskorte bogen durch ein schmiedeeisernes Tor in einen engen ovalen Hof ein. Der Hufschlag der Pferde erfüllte dröhnend den Hof. Bedienstete sprangen die Treppen hinab, um mit dem Gepäck zu helfen.
»Recht klein«, meinte Damienne, als sie ausstiegen.
»Es wird aber sicher einmal sehr prachtvoll«, erwiderte Marguerite, die sich verpflichtet fühlte, daß Schloß des Königs gegen Kritik zu verteidigen.
»Na, ich brauch ja nicht viel Platz«, gähnte Damienne und streckte sich in sehr undamenhafter Weise.
»Benimm dich bitte! Wir sind bei Hofe«, raunte Marguerite, die sich bemühte, möglichst vornehm zu wirken.
Ihr Onkel wartete, bis einer der Diener seinen Wagenverschlag geöffnet hatte, und stieg dann aus. Er wurde von einem Mann in tiefblauer, golddurchwirkter Kleidung empfangen. »Monsieur de Roberval, darf ich mir erlauben, Euch im Namen des Königs herzlich in Fontainebleau willkommen zu heißen? Charles de Guisbert, Haushofmeister seiner Majestät. Zu Euren Diensten.«
»Sieh nur, was für prachtvolle Stoffe er trägt«, flüsterte
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