Die Insel der Dämonen
mußte, ein Vermögen, das sie vermutlich gar nicht hatten. Wie begeistert war sie gewesen, als sie sich das erste Mal darin im Spiegel gesehen hatte! Aber als sie jetzt die Kleider der Damen am Hofe sah, kam sie sich vor wie ein Bauernmädchen.
Damienne hatte sich ebenfalls in ihr bestes Stück gezwängt und stand nun neben Marguerite und atmete flach. »Dieses Kleid bringt mich noch um«, murmelte sie.
»Daheim hast du gesagt, es sitzt wie angegossen«, gab Marguerite leise zurück.
»Das war vor einer Woche, es muß in der Zwischenzeit eingegangen sein«, seufzte Damienne.
Marguerite lächelte. Sie hatte ihre frühere Amme und jetzige Hausdame noch nie in diesem Kleid gesehen. Damienne hatte es wohl sehr, sehr lange Zeit nicht getragen. Sie hatte sich, wenn sie nur konnte, immer vor den gesellschaftlichen Anlässen auf Chateau de Roberval gedrückt. Doch diesen Tag wollte auch sie nicht versäumen. »Ich muß doch auf mein Lämmchen aufpassen«, hatte sie gesagt. »An so einem Königshof treiben sich immer auch allerhand Wölfe herum!«
Wölfe hatte Marguerite bislang nicht entdecken können, stattdessen jedoch eine Menge bedeutungsvoll dreinschauender Männer und wunderschön gekleideter Frauen. Ihr Blick fiel auf einen Mann, der im Schatten einer Säule stand. Er trug schlichtes Grau und schien sich für das, was rund um ihn herum geschah, nicht sonderlich zu interessieren. Er wirkte wie ein Fremdkörper in dieser schillernden Aufregung und doch hatte er etwas Besonderes an sich.
»Wer ist dieser Herr dort?«, fragte Marguerite ihre Begleiterin.
»Das ist Kapitän Cartier, Mademoiselle«, antwortete eine fremde Stimme.
Die Stimme gehörte einer der Damen, deren Kleidung Marguerite so bewundert hatte. Aus der Nähe sah sie, daß das Kleid nichts war im Vergleich zu dem Schmuck, den die Unbekannte trug.
»Ich bin Madame de Lanctot, wenn ich mich vorstellen darf. Und Ihr seid Mademoiselle de La Roque de Roberval, wenn ich mich nicht irre?«
Es war selten, daß Marguerite mit vollem Namen angesprochen wurde, aber sie dachte nicht weiter darüber nach. Sie konnte die Augen einfach nicht von dem Perlenschmuck der Fremden lassen.
»Was für wundervollen Schmuck Ihr tragt, Madame«, entfuhr es ihr.
Die Fremde lächelte. Sie war eigentlich gar keine besonders schöne Frau, und doch verbreitete sie eine gewisse Aura der Attraktivität, die sie nicht nur ihrem Schmuck zu verdanken hatte. Nun war sie aber nicht nur attraktiv, sondern auch furchtbar erkältet. Ihre Nase war gerötet und ihre Stimme belegt.
»Ein aufrichtiges Kompliment hört man selten bei Hofe, Mademoiselle. Vielen Dank.«
Marguerite hatte das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, und errötete. Die Lanctot überging dies. »Euer Onkel hat mich beauftragt, während der Zeremonie nach Euch zu sehen, Mademoiselle«, sagte sie und nieste.
»Ziemlich zugig hier, nicht wahr?«, stellte Damienne fest.
»Santé«, wünschte Marguerite und tat, als hätte sie ihre Hausdame nicht gehört. »Wißt Ihr, wo mein Onkel ist?«
»Er wird gleich mit den Vertretern des königlichen Rates erscheinen. Es gibt wohl vor der Zeremonie noch das eine oder andere zu besprechen.«
Kaum hatte sie es gesagt, öffnete sich eine der vielen Türen des Saales und Jean-François de La Roque Sieur de Roberval betrat den Saal, begleitet von einigen bedeutend aussehenden Herren.
Marguerites Onkel war kein großgewachsener Mensch, aber an diesem Tag schien er alle in seiner Umgebung zu überragen. Sein Gesicht glänzte vor Stolz. Noch nie hatte Marguerite ihn so strahlend gesehen wie in diesem Augenblick. Er und seine Begleiter schoben sich durch die Menge nach vorne in die Nähe des Throns.
Dann klopft es dreimal schwer auf den Boden. Es war der Haushofmeister mit seinem Stab: »Seine allerchristlichste Majestät, König François von Frankreich!« Es wurde still im Saal.
Die großen Flügeltüren des Saales öffneten sich und der König trat ein. Marguerite hatte sich vor diesem Augenblick oft gefragt, wie der König von Frankreich wohl aussehen mochte. Ihr Onkel hatte ihn nur recht vage als »herrliche Erscheinung« beschrieben. Sie hatte ihn sich jung vorgestellt, schlank, vermutlich blond.
Nichts davon traf zu. François von Frankreich war ein Mann im besten Alter, mit einer zu langen, schmalen Nase, eng stehenden, kleinen Augen und einem sorgsam gestutzten Bart, ebenso dunkel wie sein Haar. Obwohl der König von Frankreich zu Marguerites leiser Enttäuschung so
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