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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen
Autoren: Torsten Fink
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gar nicht ihren Vorstellungen entsprach, war sie doch beeindruckt. Noch nie hatte sie jemanden gesehen, der so sehr Macht verkörperte wie dieser Monarch, der mit anscheinend grenzenlosem Selbstvertrauen durch die Menge schritt. All die Würdenträger und hochgestellten Damen machten ehrerbietig Platz und verneigten sich vor dem gelegentlich leutselig nickenden Monarchen. Marguerite war so beeindruckt, daß sie beinahe vergessen hätte, ihren so mühsam einstudierten Hofknicks zu machen, als der Monarch in einigen Metern Entfernung an ihr vorüberschritt. Es wäre ein unvergeßlich festlicher Moment gewesen - hätte nicht von ferne das Hämmern und Sägen der Handwerker durch die langen Korridore bis in den Thronsaal herübergeklungen.
    Der König schien ähnlich zu empfinden. Er nahm auf dem Thron Platz und wandte sich dann mit einem Lächeln an den Haushofmeister. »De Guisbert, teilt bitte meinen Handwerkern mit, daß auch ihr armer König zu arbeiten hat und dabei gerne für einige Augenblicke Ruhe hätte.«
    Die launige Bemerkung des Königs löste die Spannung im Saal. Ein Raunen und Kichern ging durch den Saal. Nur de Guisbert lachte nicht, sondern lief rot an. Offenbar faßte er den Wunsch des Königs als Tadel auf. Er eilte mit schnellen Schritten aus dem Saal. Kurz darauf hörte das Hämmern und Sägen auf.
    Jemand reichte dem König ein Pergament. Der Monarch erhob sich und entrollte es, warf einen langen Blick darauf, doch dann rollte er es wieder zusammen und richtete zunächst eine allgemeine Ansprache an die Versammelten. »Wie Ihr wißt, ist die Welt in den letzten dreißig Jahren größer geworden, seit ein gewisser Italiener entdeckte, daß man Indien auch erreicht, indem man nach Westen segelt. Und wie Ihr vielleicht auch wißt, haben die Könige von Spanien und Portugal - deren Botschafter ich bitte, meine herzlichsten Grüße zu übersenden - diese neue und größere Welt in zwei Hälften unter sich aufgeteilt, und der Papst, dessen Vertreter ich ebenso herzlich willkommen heiße wie die Vertreter der vorgenannten Königreiche, gab seinen Segen dazu. Doch wo in der Bibel steht, daß die Welt diesen beiden Kronen gehöre? Wir haben nichts dergleichen gefunden, aber vielleicht kann einer der gelehrten Herren Botschafter mir die entsprechende Stelle zeigen?«
    Marguerite konnte die drei angesprochenen Würdenträger ohne Schwierigkeiten an den versteinerten Mienen erkennen.
    »Nein? Niemand?«, fragte der König und fuhr fort. »Hat unser aller Stammvater Adam denn auf dieser Erde nur zwei Erben hinterlassen? Den König von Spanien und den König von Portugal? Wir können nicht glauben, daß dies so ist - und deshalb wird auch Frankreich seinen Platz in der Welt finden. Auch wir sind Kinder Adams. Unsere Schiffe sind in Regionen vorgedrungen, deren Bewohner weder von Spanien noch von Portugal je gehört haben. Wie erstaunt wären sie, wüßten sie, daß sie diesen Reichen angehören!«
    Wieder durchlief ein leises Gelächter den Raum.
    »Deshalb haben wir im Namen Frankreichs beschlossen, ein zweites blühendes Frankreich auf der anderen Seite des Atlantiks zu errichten. Und somit ernennen wir am heutigen Tage, dem 15. Januar im Jahre des Herrn 1541, Jean-Frangois de La Roque Sieur de Roberval, Stallmeister des Königs, zum Herrn über Norembega, zum Vizekönig und Generalleutnant von Kanada, Hochelaga, Saguenay, Carpunt, Labrador und Baccalaos. Dort soll er eine Kolonie errichten zum Ruhme Frankreichs und zur Ehre Gottes und die Lehre der katholischen Kirche verbreiten unter den Heiden.«
    Ein paar der Zuhörer husteten. Marguerite bemerkte einige hochgezogene Augenbrauen und der Vertreter des Papstes lief rot an.
    »Was ist los?«, fragte Marguerite flüsternd ihre Nachbarin.
    »Offenbar glauben nicht alle, daß Euer Onkel nach seinen . Irrungen . den Weg zurück in den Schoß der Kirche gefunden hat, Mademoiselle.«
    Marguerite wußte von diesen Gerüchten, und sie selbst hatte ihre Zweifel, die sie aber geheimhielt. Im Château versicherten alle, er sei wieder gut katholisch, aber warum ging er dann nie zur Messe? Ihr Onkel war niemand, den man nach solchen Dingen fragen durfte.
    Marguerite hielt es für ihre Pflicht zu widersprechen: »Aber der König würde ihm doch nie den Auftrag geben, wenn mein Onkel nicht katholisch wäre!«
    Die Lanctot lachte leise: »Ah, das ist hohe Politik, davon verstehen wir beide nichts.«
    Marguerite fühlte sich unbehaglich. Sie hatte das Gefühl, daß soeben
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