Die Insel der Krieger
auf. Da fiel Nino mit einem en t setzlichen Aufschrei wie ein Stein auf den Tisch. Erschrocken trat Nalig näher an den Lemuren heran. Er lag mit dem Gesicht nach unten und regte sich nicht. »Was ist passiert? « Ilias Stimme war nur ein ängstliches Flüstern. Naligs Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Er langte nach dem Tier und hob es hoch. Die riesigen Augen waren weit aufgerissen, die Pfoten hingen schlaff herab. Mit zitternden Fi n gern hob Nalig das Tier höher und legte ein Ohr an die Brust des Affen. Doch schon vorher war ihm klar, dass Nino tot war. »Lauf und hol Kaya«, forderte Nalig das Mädchen auf, das ganz blass geworden war. Unterdessen legte Nalig den kleinen Körper zurück auf den Tisch. Was war nur geschehen? Gerade war das Tier noch putzmunter gewesen. Nalig wollte gar nicht daran denken, was Arkas sagen würde, wenn er zurückkam. Merlin flog von seinem Schlafplatz heran. Er landete auf der Rückenlehne eines Stuhls und blieb bedächtig dort sitzen. Wie in einem schlechten Traum gefangen, starrte Nalig auf Arkas’ toten Begleiter. Es dauerte nicht lange, bis Ilia mit der Göttin zurückkam. Sie war mit Thorix schon auf dem Weg zum Speisesaal gewesen. Im Innenhof hatten sie auf Greon gewartet, der auf Kazard zum Boot am Ufer des Sees fliegen sollte. Kaya trat raschen Schrittes an den Tisch heran. »Was ist hier los? « , fragte sie und hob das tote Tier behutsam hoch. »Ich weiß es nicht. Er hat plötzlich geschrien und dann war er einfach tot. « »Wo ist Arkas? « , wollte Kaya wissen. Ihr Tonfall jagte Nalig Schauer über den Rücken. »Greon wollte mit ihm reden. Ich weiß nicht, wo sie hingegangen sind. « Kayas Miene verste i nerte. »Ich hoffe, das bedeutet nicht das, was ich befürchte. « Naligs Nackenhaare sträubten sich, als sie das sagte. Leider bedeutete Ninos Tod genau das, was Kaya befürchtete. Alle Krieger der Insel wurden geweckt und begannen, den Tempel und die Wälder zu durchsuchen. Zalari erbleichte, als er den toten Lemuren sah. Die Suche dauerte zwei Stunden. Schließlich war es Nalig, der Arkas fand. Im schwachen Schein der Fackel, die er trug, sah er plötzlich etwas aufblitzen. Als er sich dem glänzenden Gegenstand näherte, stolperte er und wäre be i nahe gestürzt. Entsetzt stellte er fest, dass er über Arkas’ Beine gesto l pert war. In einer unbequem anmutenden Haltung lag der Junge auf dem Rücken. Von Grauen erfüllt, kniete Nalig neben ihm nieder. Mit vor Überraschung geöffnetem Mund und vor Entsetzen aufgerissenen Augen starrte Arkas, ohne zu sehen, an das Blätterdach des Waldes. Seine leeren Augen spiegelten den Schein von Naligs Fackel. »Nein«, hauchte der Junge und schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht sein. Mit bebenden Fingern berührte Nalig das bereits erkaltende Gesicht seines Freundes. Er bemerkte, dass der Boden um ihn her feucht war und senkte die Fackel. Ein Laut des Widerwillens entwand sich ihm, als er erkannte, dass er in Arkas’ Blut kniete. Es war größtenteils getrocknet und stammte aus einer Wunde, die Nalig nicht sah. Er betrachtete den glänzenden Gegenstand gena u er, der ihm zuvor aufgefallen war. Es war Greons Dolch. Blut klebte an der Klinge. Tränen, geschürt von Trauer und Wut, stiegen in Nalig auf. Abermals betrachtete er das Gesicht seines toten Freundes. Je länger er es ansah, desto fremder schien es ihm. Das war falsch. Ganz falsch. Die sonst immer lachenden, blauen Augen nun tot und leer zu sehen und die sonst so heitere Miene schmerzverzerrt, war einfach nicht richtig. Arkas durfte nicht tot sein. Nicht jetzt und schon gar nicht so. Nalig schloss die Augen, als könne er so die Tatsache ve r leugnen. Er würde zurück zum Tempel gehen und dort würde Arkas stehen. Lächelnd, mit seiner immer guten Laune und Nino auf der Schulter. Doch als Nalig die Augen wieder öffnete, lag Arkas noch genauso reglos vor ihm wie zuvor. Nalig krümmte sich, als sich etwas tief in ihm zusammenzog. Er stieß einen erstickten Klagelaut aus. Merlin, der sich auf der Suche nach Arkas von seinem Begleiter g e trennt hatte, flog heran. Er landete jedoch nicht auf Naligs Schulter, um ihm aufmunternd ins Ohr zu kneifen, sondern auf einem tief hä n genden Ast. Dort stieß er einen gellenden Schrei aus, der Nalig aus seiner ungläubigen Erstarrung riss. Er blickte zu Merlin auf und plöt z lich schlug seine Verzweiflung in Zorn um. Wo steckte Greon? Nalig schnappte den Dolch vom Boden und rannte los. Greon
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