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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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verblüffender
Ereignisse über uns zusammen.
    Mandarine und Soldaten
schrien in höchsten Tönen, Säure spritzte über die Tribüne, und ein wütender
Heiliger sprang brüllend und heulend zwischen den Körpern, die sich am Boden
wanden, auf. Der Himmlische Meister war außer sich vor Wut. Er stürzte sich mit
seiner Steinkeule auf Meister Li, ohne den furchterregenden Dämon auch nur
eines Blickes zu würdigen. Einem Mandarin, der ihm im Weg stand, schlug er
kurzerhand den Schädel ein. Ich hechtete nach den Beinen des Himmlischen
Meisters, als er versuchte, Meister Li den Kopf zwischen die Schultern zu
drücken, und wir stürzten alle drei über den hinteren Rand der Tribüne in das
Becken am Fuße des plätschernden Wasserfalls.
    Mein Kopf schlug auf einen
Felsblock unter der Oberfläche, doch zum Glück hatte das Wasser meinen Fall
gemildert, so daß ich nicht vollkommen die Besinnung verlor. Jedoch war ich
noch so betäubt, daß ich meinen Körper nicht unter Kontrolle hatte und hilflos
zusehen mußte, wie der Himmlische Meister meinen alten Lehrer angriff. Der
Heilige hatte im Fallen seine Keule verloren, aber unglaublich kräftige Hände
schlössen sich um Meister Lis Hals, und ich wußte, daß er keine Chance hatte.
Unaufhörlich drehten sich die Wasserräder und ergossen den Inhalt ihrer
mächtigen Schaufeln in den Goldenen Fluß, und das Wasser sprudelte und schäumte
pausenlos rings um uns herunter. Plötzlich stieß etwas gegen mein Bein. Es war
die Leiche eines Offiziers, dessen Rückgrat gebrochen war. Dann streckten sich
zwei Hände aus der Gischt, faßten um mich herum nach den Händen des Himmlischen
Meisters und lösten sie langsam von Meister Lis Hals. »In Singapur serviert die
Kaufmannszunft ein bemerkenswertes Gericht namens Neun-Stein-Fäuste,
womit Babybarsche gemeint sind«, tönte die belegte, gurgelnde Stimme von Wirt
Sechsten Grades Tu an mein linkes Ohr. »Es gilt, festzuhalten, daß die Barsche
mit Papageifischen, Gelbbauchunken und Schweinefett-Butterkuchen-Fisch
gedünstet werden, wenn auch manche Kapazitäten behaupten, daß ein zu
reichlicher Genuß von Neun-Stein-Fäuste Haarausfall, Blindheit und
Knochenschwund zur Folge hat. Ich glaube jedoch, daß es sich dabei um ein
Mißverständnis handelt, ausgelöst durch die Tatsache, daß das Schriftzeichen
für den Fisch leicht zu verwechseln ist mit dem für Aprikose, und
Aprikosen haben natürlich die genannten Wirkungen, wenn man sie im Übermaß
genießt .«
    Meister Li bekam wieder
Luft, und mit der Luft kehrte die Kraft in ihn zurück, sein Messer
herauszuziehen. Er stieß es dem Himmlischen Meister in die Brust und brachte
ihm eine lange, klaffende Wunde bei. Dann zog er die Klinge heraus und
versetzte ihm einen zweiten Schnitt, der diagonal zum ersten quer über die
Brust verlief. Es kam kein Blut. Nicht ein einziger Tropfen. Plötzlich schoben
sich vor meinen entsetzten Augen zwei kleine, grünliche Hände aus der Öffnung
und spreizten die Rippen auseinander, und aus der Brust des Heiligen trat ein
Affenkopf hervor. Haßerfüllte Augen starrten uns an. Das Tier klapperte mit den
Zähnen und spuckte nach Meister Li, dann kletterte es aus der leeren Hülle, die
einmal der Himmlische Meister gewesen war, platschte durch das Wasserbecken zur
Felsenklippe hin, schwang sich sekundenschnell dann hoch und war verschwunden,
bevor ich recht begriffen hatte, wo ich es schon einmal gesehen hatte: ein
Gastgeschenk, ein niedliches Äffchen, das vor dem Himmlischen Meister eine
Verbeugung gemacht hatte und von einer begeisterten alten Dienerin ins Haus
geführt worden war.
    Meister Li kniete in dem
Becken und hielt weinend seinen alten Freund und Lehrer im Arm. Als ich
aufblickte, sah ich Li die Katze von der Tribüne zu uns herüberstarren, dann
drehte er sich um und gab den Soldaten ein Zeichen. Mit einem Satz sprang ich
zu Meister Li, riß seinen Käfig an mich und zog den Pinsel aus dem Loch in der
Mitte heraus.
    »Ziege, Ziege«, keuchte ich,
»spring über den Wall... Rupf Gras und füttere es deiner Mutter... Ist sie
nicht auf dem Feld und im Stall... Dann gib es deinen hungrigen Brüdern.
Eins... Zwei... Drei... Vier... Fünf... Sechs... Sieben... Acht!«
    Ich blinzelte, als der
Blitz aufflammte, dann machte ich hastig die erforderliche Handbewegung, und
über mir versuchten Li die Katze und die Soldaten unter entsetztem Geschrei,
sich in Sicherheit zu bringen. Als ich wieder klar sehen konnte, erblickte ich
vor mir die furchtbare,

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