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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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während
wir in einem winzigen Tunnel feststeckten.
    »Das ist Neid! Er hat den
ersten Yang-Schlüssel fixiert !« rief Meister Li.
»Schnell, Ochse, beeil dich!«
    Den alten Mann auf dem
Rücken, hastete ich vorwärts, obwohl ich keine Ahnung hatte, was vor mir lag.
Mir blieb nichts anderes übrig, als beinahe blind vor mich hin zu stolpern, so
schnell ich eben konnte, und als der zweite Ton aufbrauste, wirbelte er mich um
die eigene Achse wie einen Kreisel.
    »Es kommen noch zwei
weitere! Schnell! Schnell !« schrie Meister
    Die nächsten beiden Töne
waren schlimmer, da wir uns näher an ihrer Quelle befanden, doch meine
Befürchtung, daß mein Trommelfell platzen würde, erwies sich als unbegründet.
Ich war bis jetzt abwärts gelaufen, aber jetzt wurde der Weg eben. Der
phosphoreszierende Schein wurde heller, und das war ein Segen, denn auf diese
Weise konnte ich sehen, was vor mir lag und rechtzeitig anhalten. Atemlos kam
ich am Rande eines Felsvorsprungs, der eine weiträumige Höhle überragte, zum
Stehen, und dort waren sie: mächtige, gewundene Formen, Pfeifen, die aussahen
wie Schlangen und in kleinere und immer kleinere Pfeifen übergingen. Ich
entdeckte Treppenstufen und sprang hinunter, und endlich standen wir vor acht
winzigen Pfeifen, die in acht kleine Kästen mündeten,
die in zwei Reihen, vier Stück auf jeder Seite, angeordnet waren.
    Meister Li hüpfte von
meinem Rücken. »Links ist Yang, und die männlichen Kästen müßten gefüllt sein«,
murmelte er. Er versuchte, die Deckel der Kästen zur Linken zu öffnen, aber sie
waren buchstäblich mit ihrer Fassung verschmolzen. »Yin wartet«, bemerkte er,
während er sich der rechten Seite zuwandte. Der erste Deckel ließ sich mühelos
öffnen.
    In dem Kasten befand sich
eine kleine Halterung, wie ich sie im Traum gesehen hatte, und ich konnte ein
Loch im Boden erkennen, das durch massiven Fels zu einer darunter liegenden Windlade führen mußte. Meister Li hatte seine zwei
kleinen Gabeln hervorgeholt, und ich reichte ihm meine beiden.
    »Eine Art Stimmgabeln, die
aber etwas höchst Ungewöhnliches mit den Klangwellen anstellen«, sagte er.
»Wenn man doch bloß mit den Acht Gelehrten Herren sprechen und ihnen ein paar
Fragen stellen könnte .«
    Er schob die erste
Stimmgabel in die Halterung, die wie angegossen paßte, dann schloß er den
Deckel, der sich ohne Zutun fest versiegelte. Dasselbe wiederholte der alte
Mann mit den übrigen drei Gabeln und Kästen, dann machte er kehrt und entfernte
sich in die Dunkelheit. Als ich ihn eingeholt hatte, sah ich die Tore. Es waren
zwei gewaltige, nebeneinander angeordnete zweiflügelige Tore, von denen das
linke offenstand, während das rechte geschlossen war. Meister Li trat zu dem
geschlossenen Tor auf der weiblichen Seite. Ein mächtiges Beben setzte ein, und
dann brauste uns die erste Yin-Note entgegen. Ich mußte Meister Li festhalten,
um zu verhindern, daß er weggeblasen wurde, und als der Ton verklang, schwangen
die Torflügel auf.
    Wir schritten hindurch, und
beim Anblick, der sich mir darbot, blieb ich wie angewurzelt stehen. Wir
bewegten uns auf einem steinernen Pfad zwischen zwei Kanälen. Der Kanal zur
Linken war mit Wasser gefüllt, aber was für ein Wasser! Es schien aus
pulsierender, durchscheinender Luft zu bestehen, die von Regenbogenfarben
durchwoben war. Der Anblick entlockte Meister Li einen entzückten Schrei.
    »Erinnerst du dich an Wirt
Tu, Ochse? Der Yu wurde von den Acht
    Gelehrten Herren so gebaut,
daß er Musik machte, die zu Wasser wurde . Tja,
hier haben wir es nun, und gleich kommt noch mehr.«
    Der Kanal zur Rechten war
trocken gewesen, aber jetzt schienen die Schwingungen im Yu zu sichtbarer
Materie zu verschmelzen, und ein Wasserstreifen, der wie ein Regenbogen
schimmerte, wurde sichtbar. »Beeile dich .«
    Wir rannten zu einem
weiteren Torpaar, offen auf der linken, geschlossen auf der rechten Seite
(»Schleusen ?« fragte ich mich. »Wie in einem höchst
merkwürdigen Kanal ?« ), und der Ton, den die zweite Stimmgabel
erzeugte, bewirkte, daß auch hier die mächtigen Flügel aufschwangen und zur
Rechten sich ein Wasserlauf bildete, der dem zur Linken glich. Zwei weitere
Tore öffneten sich vor uns, und Wasser floß, wo vorher keines gewesen war. Die
vierte und letzte Wasserlinie reichte bis zu einer Anlegestelle, deren
Spiegelbild auf der linken Seite zu finden war, und dort warteten zwei große
Drachenboote, die sich nur dadurch unterschieden, daß das linke mit

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