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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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nahm und mit ihm
hinaufstieg und neben einem brodelnden Becken, in das sich das Wasser aus einem
der Räder ergoß, ins Freie trat, waren wir beide wie vor den Kopf geschlagen.
Diesmal durch die Natur selbst. Ich war überzeugt, daß der Tag vergangen war
und daß es mindestens Mitternacht sein mußte, aber es war erst Nachmittag, und
was für ein Nachmittag! Der Gelbe Wind war mit Macht über Peking
hereingebrochen. Windböen wirbelten und fegten durch die Stadt und rissen
Wolken von Müll mit sich, die hierhin und dorthin flogen und dann wieder zur
Erde schwebten wie Schneeflocken aus zerrissenen Planen, Schilfmatten,
gesplittertem Bambus, Unrat und toten Ratten. Sand peitschte uns ins Gesicht.
Der Wind, der um die vornehmen Paläste tobte, heulte wie ein Rudel Wölfe, und
von den sturmgepeitschten Blättern und Dächern klang Fauchen und Kratzen
herüber. Der Goldene Fluß war überzogen mit einer Wolke feiner Gischt vom
Aufschlag von Milliarden winziger gelber Sandkörner, und die Sonne wirkte
hinter diesigen Nebeln monströs aufgebläht und blutrot. Amseln zeichneten sich,
bewegungslos aufgereiht auf Türmen und Brüstungen, vor einem flammenden Himmel
ab.
    »Himmelsflamme«, murmelte
Meister Li dicht an meinem Ohr. »Was einmal geschieht, kann sich auch ein
zweites Mal ereignen, selbst wenn es sich um ein Totenvögel Geisterboot
Regenrennen handelt. Ochse, der schnellste Weg zum Park der Eunuchen führt über
den Goldenen Fluß. Also, treib ein Floß und eine Stange auf und laß uns
aufbrechen .«
    Ich brach das Scherblatt
von der Spitze einer langen Stange zum Stutzen von Bambusgehölz, riß die
Holztür aus einer Gärtnerhütte heraus und warf sie ins Wasser. Das Floß hatte
Tragkraft für uns beide, und ich stieß es mit der Stange ab, um das bißchen Strömung,
die es gab, zu nutzen. Mit kräftigen, rhythmischen Stößen betätigte ich die
Stange, bis wir eine beachtliche Geschwindigkeit aufgenommen hatten. Ein
paarmal rauschten wir über Wasserfälle abwärts, die aber eher schön anzusehen
als gefährlich waren, und bald konnten wir vor uns das Ziel unserer Fahrt
sehen. Mein Herz krampfte sich zusammen, als ich erkannte, daß die riesige
Basilika vor meinen Augen das Quartier der Schwarzen Wache war, zu der
Wildschwein, Hyäne und Schakal Yu Lan gebracht hatten. Davor befand sich eine
niedrige Mauer, die gleichzeitig die hintere Begrenzung des Parks der Eunuchen
zwischen ihrem prunkvollen Palast und dem Palast der Südlichen Düfte bildete.
Der Goldene Fluß trug uns einen Wasserfall hinunter, der über eine niedrige Felsklippe,
einen der wenigen natürlichen Wälle in der Verbotenen Stadt und die vordere
Begrenzung des Eunuchenparks, führte. Ich möchte das Bild, das sich uns von
dieser kleinen Klippe aus bot, gern deutlich zeichnen. Man blickte in einen
großen, runden, mit Marmor gepflasterten Hof hinunter, in dessen Mitte um einen
alten Brunnen, der früher bei religiösen Zeremonien zu Opferzwecken gedient
hatte, eine erhöhte Plattform aus Stein verlief. Ein zweites Podest befand sich
am Fuße der Klippe, so daß der Wasserfall eine beeindruckende Kulisse bildete.
Dort saßen die Würdenträger bei offiziellen Gelegenheiten. Zur Linken erhob
sich der Palast der Kaiserporträts, zur Rechten der Palast der Eunuchen und im
Hintergrund die Basilika der Schwarzen Wache.
    Je näher wir kamen, desto
deutlicher konnte ich erkennen, daß sich an jedem Fenster und auf jedem Balkon
die Menschen drängten und in den Hof hinunterstarrten, in dem es wiederum von
Eunuchen und Soldaten wimmelte. Als wir dicht genug heran waren, um zu sehen,
wie der Fluß über der Felsenkante verschwand, wies mich Meister Li an, zum Ufer
zu stoßen und das Floß aus dem Wasser zu ziehen. Dann setzten wir unseren Weg
zu Fuß fort, und als wir die Köpfe durch das Schilf, das am Rande der Böschung
wuchs, streckten, blickten wir fast senkrecht auf die Empore der Würdenträger
hinunter, auf der eine Reihe thronähnlicher Stühle aufgebaut war. In der Mitte
saß Li die Katze, flankiert von zwei mächtigen Eunuchen, deren Namen sich auf
der Liste der Vorstandsmitglieder befunden hatten. Daneben waren zu beiden
Seiten die Plätze der übrigen Mandarine, die der Teeschmuggelbande angehörten,
und Meister Lis Finger bohrten sich in meine Schultern, als der Weise die fünf
alten Käfige sah, die neben den Stühlen standen. »Es sind die Käfige«, sagte
Meister Li unbewegt. »Jetzt bleibt nur zu hoffen, daß wir die Käfige

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