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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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furchtbaren
Skandal auslösen könnten, aber wir beide werden nicht die falschen Leute sein .« »Nein, Meister Li«, erwiderte ich.
    »Wir werden eine offizielle
Untersuchung in die Wege leiten«, erklärte der alte Mann. »Wir haben immerhin
den vom Himmlischen Meister eigenhändig unterschriebenen Auftrag, der uns dazu
ermächtigt, und das ist nichts, womit man Scherze treibt .« »Ja, Meister Li«, sagte ich und hielt dann wohlweislich den Mund. (Das,
fuhr ich im stillen fort, ist die Untertreibung
des Jahrzehnts. Wenn er es geschafft hat, ein Dokument wie dieses zu fälschen,
hat er einen Passierschein, der es ihm erlaubt, mit vierzig Mauleseln, achtzig
schaufelbewehrten Bauern und einem Lastkran in der kaiserlichen Schatzkammer
ein- und auszugehen.*) Da es am Schauplatz des Mordes nichts mehr zu finden
gab, folgte ich Meister Li zu Ma Tuan Lins Pavillon. Zu meiner Überraschung
stellte ich fest, daß es sich um ein einfaches, schmuckloses Haus handelte: ein
großer Raum und ein Bad, mit Blick auf einen kleinen, eingefriedeten Garten und
über den See. Meister Li erklärte mir, daß es Mandarinen wie Ma nicht gestattet
war, luxuriöse Behausungen auf der Insel einzurichten. Die Pavillons, die einer
dem anderen glichen, waren der Meditation vorbehalten und Eigentum des Kaisers.
Wir sahen die Papiere des Mandarins und seine Sammlung von Büchern und
Schriftrollen durch, konnten aber nichts weiter finden als Anmerkungen in der
Kurzschrift der Gelehrten, die ich nicht lesen konnte und Meister Li als
typisch Ma Tuan Lin bezeichnete: idiotischer Mist. Da mit der Suche nichts
weiter bezweckt war, als herauszufinden, ob es irgendeinen Hinweis auf einen
merkwürdigen alten Käfig gab, brachte Meister Li die Sache rasch hinter sich.
Wir waren eben im Begriff, das Haus zu verlassen, als er in der Tür innehielt.
    »Fast hätte ich es
vergessen«, sagte er. »Vor fünfzig oder sechzig Jahren habe ich einmal für ein
paar Wochen einen dieser Pavillons bewohnt, und da sie alle gleich sind...«
    Er ließ den Satz
unvollendet, während er kehrtmachte und auf den kleinen Holzaltar an der
östlichen Wand zuging. »Man hat mir gezeigt, wo ich Schmuck oder was auch immer
unterbringen sollte, wenn ich dem Gärtner mißtraute«, erklärte er, indem er
gegen eine Holzplatte drückte, sie beiseite schob und mit der Hand in ein
kleines Loch griff. »Nicht zu fassen«, sagte er, und als er die Hand wieder
herauszog, hielt er ein dickes, kleines Notizbuch darin.
    Wir setzten uns an den
Tisch, und er blätterte es durch. Nicht einmal Meister Li wurde aus den
Eintragungen schlau, denn sie bestanden lediglich aus einer Reihe von Zahlen
und Zeichen, die Prozente anzeigten, aber es fand sich keinerlei Hinweis
darauf, wofür die Zahlen standen.
    »Die Summe steigt in
schwindelerregende Höhen und verdoppelt sich dann plötzlich, und ich kann nur
sagen, wenn es sich um Mas Geld handelt, dann war er allmählich reich genug,
einen Besitz auf dem Kohlenhügel zu erwerben«, bemerkte Meister Li. Dann blätterte
er die letzte Seite um und zog etwas aus dem Büchlein hervor. »Ochse, sieh dir
das an !« rief er begeistert aus. Da war er, der Käfig,
den wir gefunden hatten, in Gestalt eines Tinten-Reibedrucks, der
offensichtlich von der Oberfläche eines alten Steins genommen worden war. Ich
sage Stein anstelle von Metall, weil verschwommene, fleckige Stellen auf eine
verwitterte, gesprungene Oberfläche hindeuteten, dennoch war deutlich
erkennbar, daß es den Käfig darstellte. In der Hoffnung, auf der Rückseite
erklärende Worte zu finden, drehte er den Druck um. Es standen dort nur ein
paar Zeichen in Fliegende Weiß-Kurzschrift, die er für mich übersetzte:
»Acht! Ich habe alle acht gefunden! Jetzt können sie mir den Hauptanteil
nicht verwehren, und meine Knochen werden auf dem Weißen Drachengipfel liegen !« «
    »Meister, wißt Ihr, was das
zu bedeuten hat ?« wollte ich wissen. »Eigentlich
nicht, aber der letzte Teil ist interessant«, entgegnete er. »Der Weiße
Drachengipfel ist das landschaftlich hervorstechendste Merkmal über einem
großen, fruchtbaren Tal in der Nähe von Shensi, von dem Ma Tuan Lin,
fälschlicherweise, wie ich immer angenommen habe, behauptete, daß es einst der
Familienbesitz seiner Vorfahren gewesen sei. Das klingt, als hätte er gehofft,
es wiedererwerben zu können, und dazu hätte es einer ungeheuren Menge Geldes
bedurft .«
    *
    Bald darauf verließen wir
das Haus, und ich ruderte das Boot ohne Zwischenfälle

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