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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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einem Besuch gesehen zu werden, wenn das so richtig ausgedrückt ist. Zuerst
sieht man einen Lichtschein näherkommen, dann hört man ein rhythmisches »Hat-chu, hat-chu, hat-chu !« , dann taucht der
Aufseher auf, dem im Laufschritt ein Heer von Dienern mit Fackeln in den Händen
folgt. Darauf erneut ein Lichtschein, und ein anderer Ruf, »Mi-chi, mi-chi,
mi-chi!«, intoniert von marschierenden Lakaien, die, gekleidet wie
königliche Hoheiten und mit hellstrahlenden Laternen in den Händen,
aristokratische Sänften und Equipagen umringen. »Yi-cha, yi-cha, yi-cha!« skandieren
gelbgewandete Eunuchen, die neben der Hauptsänfte einhertrippeln und qualmende
Räuchergefäße schwenken, und mit einigem Glück erhascht man einen Blick auf
einen blitzenden Smaragd oder Türkis, funkelnde Juwelen und schimmernde Jade,
golddurchwirkte Seide und bestickten Satin, den tiefroten Glanz eines langen
lackierten Fingernagels, den schmelzenden Blick aus einem gelangweilten Auge;
dann ertönt Trompetengeschmetter, »Ta-ta-taaaaa! Ta-ta-taaaaa !« , und Herolde stolzieren voran wie radschlagende
Pfauen und biegen in die erwartungsvoll daliegende
    Allee ein, aus der ihnen
andere Trompeten antworten, »Tum-teeeee! Tum-teeeee!«, worauf wie durch
einen Zauber Lichter aufflammen. Tausend Papierlampions erstrahlen in den
Bäumen, denen im Winter künstliche Blätter angenäht sind, ein Orchester spielt
auf einer Lichtung eine Willkommenshymne, Tänzer hüpfen und springen vor den Herolden
her, eine Herde rosaroter Gänse zischt und kreischt und schnattert, und jene
prächtigen Hausdiener in der Auffahrt verstreuen nicht etwa gelben Sand, der
den erlauchten Fußabdruck des erhabenen Gastes aufnehmen soll - o nein, es ist
echtes Gold, das da einen Pfad zur Tür des Hauses bildet. Ich habö einen
Vetter, der auf dem Kohlenhügel arbeitet. Er ist ein Fachmann und stolz auf die
meisterliche Beherrschung seiner Kunst. Seine Aufgabe besteht darin, sich
schwarz zu kleiden und Gesicht und Hände mit Ruß zu schwärzen, damit man ihn
bei Nacht nicht sieht. Dann nimmt er eine lange spitze Nadel - viel länger als
eine Stricknadel -, klettert in das Gehege, in dem die Gänse gehalten werden,
und sticht sie genau im richtigen Augenblick, wenn Gäste nahen, in den Pürzel.
Das Zischen und Schreien der Gänse gilt als glückliches Omen, und das Geheimnis
besteht darin, den Gänsen-in dem Moment ein Geschnatter zu entlocken, wenn die
Reichen den Fuß auf die demütig geneigte Erde setzen, und darin ist er sehr
gut. Ich habe ihn einmal gefragt, ob er erwägen würde, sein Gewerbe auf das
Einfärben der Gänse zu erweitern (ebenfalls ein glückliches Omen), worauf er
wütend wurde. Er ist ein Meister im Gänsepürzel-Stechen, und die unbedeutenden
Gefieder-Maler gehörten kaum seiner Gesellschaftsklasse an! Abgesehen davon war
es eine geschlossene Zunft, zu der man nur durch Vererbung Zutritt erlangen
konnte.
    Der Weg, in den unsere
Sänfte einbog, war nicht für den Empfang von Gästen erleuchtet, aber unser
Informant hatte uns versichert, daß der Eigentümer zu Hause war. Meister Li
trat in seiner würdevollsten Pose neokonfuzianischer Überlegenheit auf und
fegte niedere Dienstboten verächtlich beiseite, bis er den Haushofmeister vor
sich hatte, dem ein flüchtiger Blick auf die Vollmacht des Himmlischen Meisters
genügte, um unter unterwürfigen Verbeugungen die Treppe hinaufzueilen und den
Herrn des Hauses zu suchen. Wir warteten in einem reich mit alten
Kunstgegenständen ausgestatteten, sehr gepflegten Raum, der Meister Li jedoch
wenig beeindruckte.
    »Neun Zehntel«, bemerkte er
gleichgültig, »sind offensichtliche Fälschungen, und das eine Zehntel, das
übrigbleibt, ist von geringem Wert. Die einzige Ausnahme ist diese Tropfkröte,
deren Glasur das früheste Beispiel für eine Technik namens Hübsches Mädchen
Himmelsklar ist, das ich je gesehen habe .« Tropfkröten sind Keramikkröten, in deren Innern sich eine kleine Kammer mit
eingebautem Tropfer befindet. Man benutzt sie, um einen Tintenstein mit der
exakten Menge Tinte zu befeuchten, die für einen vollkommenen Strich notwendig
ist, und Meister Li besitzt eine sehr schöne Sammlung davon. Als er sich bückte
und den falschen Absatz seiner linken Sandale beiseite schob, wich mir das Blut
aus den Wangen.
    »Meister... äh...
ehrwürdiger Meister, glaubt Ihr nicht, daß es unklug wäre, hier zu... äh...«
    Als er sich wieder
aufrichtete, hatte er einen Dietrich in der Hand, und einen

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