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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine
Autoren: Barry Hughart
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zur Stadt zurück. Dort
machten wir in Meister Lis Hütte gerade lange genug halt, um den Käfig unter
dem Podest zu verstecken, der unsere Matten vor Nässe schützt, wenn der
Fußboden bei Stürmen unter Wasser steht. Dann ließ er sich von mir zur Kneipe
des Einäugigen Wong tragen. (Ich habe Wongs Kneipe in früheren Bänden meiner
Erinnerungen beschrieben, und da sie hier keine entscheidende Rolle spielt,
sage ich nur soviel, daß es ein Wirtshaus im Verbrecherviertel an der Brücke
des Himmels ist, in dem Meister Li manchmal nützliche Leute auftreiben kann,
und das gelang ihm auch jetzt.) Er ließ von zwei Fälschern eilig Kopien von Ma
Tuan Lins Reibedrucken des Käfigs fertigen und schickte dann eine Bande
Straßenjungen damit zu allen namhaften Einbrechern, die ihm in den Sinn kamen.
    »Weißt du«, wandte er sich
an mich, während wir an seinem persönlichen Tisch das Abendessen einnahmen, »es
besteht die Möglichkeit, daß sich Ma mit dem, was er auf die Rückseite des
Reibedrucks geschrieben hat, eher auf Käfige als auf irgend etwas anderes
bezog. Wenn ja, hatte er acht davon gefunden. Wo sind die anderen sieben ?«
    Ich zuckte die Achseln. »In
seinen Arbeitsräumen, seinem Haus?« »Vergiß nicht, Ochse, daß der Käfig, den
wir haben, sehr alt und hervorragend gearbeitet ist. Es ist ein bemerkenswerter
Kunstgegenstand, und wenn Ma Tuan Lin sich im Besitz von acht dieser
Kostbarkeiten befunden hätte, so wäre diese außergewöhnliche Sammlung ohne
Zweifel Anlaß für ihn gewesen, ein Bankett nach dem anderen zu veranstalten, um
sich bei diesem Anlaß seines unfehlbaren Instinktes und scharfen Verstandes zu
brüsten, die es ihm möglich machten, Schätze aufzuspüren, an deren Entdeckung
Geringere gescheitert sind. Soweit ich weiß, hat er nichts dergleichen getan,
und rufen wir uns die Formulierung in Erinnerung: Acht! Ich habe alle acht
gefunden! Jetzt können sie mir den Hauptanteil nicht verwehren, und meine
Knochen werden auf dem Weißen Drachengipfel liegen !« «
    »Das klingt, als hätte er
irgendwelche Partner in einem Geschäftsunternehmen gehabt«, sagte ich zögernd.
»Klingt, als wären die Käfige irgendwie wertvoll für sie, und zwar so wertvoll,
daß sie ihm den Hauptanteil gebracht hätten, egal, um welche Geschäfte es ging .«
    »Genau danach klingt es,
und auf diese Weise hätte er seinen Partnern Käfige als Gegenleistung für
Anteile am Geschäft gegeben. Vielleicht wurde die bloße Existenz der Käfige
geheimgehalten, vielleicht aber auch nicht, und wenn nicht, sehen wir einer
interessanten Möglichkeit ins Auge«, sagte der Weise. »Ma Tuan Lin hätte nicht
im Traum daran gedacht, geschäftliche Beziehungen mit geringeren Sterblichen
einzugehen. Seine Teilhaber müßten Mandarine seines eigenen oder gar eines
höheren Ranges gewesen sein, und Männer dieses Schlages neigen dazu,
ausgefallene Dinge zu sammeln und in ihren Häusern zum Neid der Besucher zur
Schau zu stellen .«
    Aus seinem Schweigen schloß
ich, daß er mich dazu bringen wollte, zu sehen, wie weit mein siebähnlicher
Verstand den Gedanken weiterspinnen konnte, und daher sagte ich: »Wenn Ma Tuan
Lin seinen Geschäftspartnern Käfige gegeben hat, und diese Partner haben sie
zur Schau gestellt, dann können uns die Einbrecher von Peking genau sagen, wo
sich die Käfige befinden.« »Braver Junge«, lobte mich Meister Li. »Jedes
einzelne Herrenhaus der Stadt haben die Diebe unter Mithilfe des Gesindes
wieder und wieder ausgekundschaftet. Es wäre zuviel verlangt, wollten wir alle
sieben finden, aber wenn wir auch nur einen einzigen aufspüren, werde ich meine
Neugier ein wenig befriedigen und dem Besitzer ein paar Fragen stellen. Wenn
nicht, vergessen wir die Sache mit den Käfigen und machen uns Gedanken darüber,
was für einen Bericht wir dem Himmlischen Meister vorlegen sollen .« Eine Stunde später bekamen wir Besuch von einem Herrn mit
unstetem Blick und einem interessanten Narbenmuster an der Stelle, wo sich
seine Nase einmal befunden hatte, und wieder eine Stunde später saßen wir
erneut in einer vornehmen Sänfte und ließen uns den Kohlenhügel hinauftragen.
    *
    Es war Abend, ein riesiger
Vollmond mit rötlichem Hof stand am Himmel, und der Kohlenhügel begann soeben
zum Leben zu erwachen. Ich bin immer wieder fasziniert vom Schauspiel der
Reichen, wenn sie es so einrichten, daß sie dabei gesehen wurden, wie sie Leute
besuchen, die dabei gesehen wurden, wie sie Leute besuchten, die es wert sind,
bei
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