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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine
Autoren: Barry Hughart
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von Ochse öffnen. Erzähle
du es ihm, Ochse .«
    Ich schluckte nervös, als
die lebhaften Augen des Heiligen zu mir herüberhuschten.
    »Allerehrwürdigster
Meister, die Leiche lag natürlich auf dem Rük-ken, aber ich schaffte es, sie
aufzusetzen - «
    »Das muß ein hartes Stück
Arbeit gewesen sein«, bemerkte der Himmlische Meister mit aufrichtiger
Teilnahme in der Stimme. »Ja, Meister«, sagte ich. »Der Leichnam war mit
Borneokampfer namens Drachenhirn eingerieben, und der Geruch schnürte mir die
Kehle zu, und als ich es weggeschabt hatte, wurde mir vom Gestank der Leiche
schlecht, und es war kein Kopf da, und das ganze sah abscheulich aus .« Nur von der Erinnerung daran mußte ich schon wieder
würgen. »Die Leiche war so steif wie ein Baumstamm, und ich habe mir bei dem
Versuch, sie aufzurichten, fast einen Bruch gehoben .«
    »War er nicht ein
widerlicher Fettkloß ?« bemerkte der Himmlische Meister
mitfühlend.
    »Er hat sich beim Reis
nicht sehr zurückgehalten«, entgegnete ich diplomatisch. »Ich mußte ihn nach
Meister Lis Anweisung aufrecht hinsetzen, damit wir seinen Rücken untersuchen
konnten .« »Und?«
    »Ehrwürdiger Herr, es war
genau, wie Ihr es uns gesagt habt !« sagte ich
aufgeregt. »Das Eintrittsmal der Feuerkugel war sehr klein und unter den Falten
des Hemdes versteckt; doch Meister Li machte einen Schnitt durch Stoff und
Haut, und gleich unter der obersten Hautschicht fanden wir ein großes Loch!
Sein ganzes Inneres war verschmort !«
    Der Heilige nippte an
seinem Tee, dann stellte er die Tasse ab, lehnte sich zurück und rieb sich die
Augen.
    »Wie eigenartig«, sagte er.
»Kao, ich hatte gerade herausgefunden, was mich zu diesen Halluzinationen von
einem alten Mann und seiner Feuerkugel veranlaßt hat, und nun erzählst du mir,
daß es gar keine Halluzinationen waren .«
    Er neigte sich vor, und
sein Blick war klar und durchdringend. »Ich werde dir zeigen, was
möglicherweise meine senile Phantasie angeregt hat, aber zuerst interessiert
mich eine Frage der Symmetrie. Du sagst, daß Mao Ou-Hsi auf spektakuläre Weise
gestorben ist. Hatte ein Ungeheuer etwas damit zu tun ?« »Ja.« »Erzähl mir davon .«
    Meister Li berichtete
einfach und ohne Umschweife, was er gesehen hatte, und während er sprach,
wuchsen Verwunderung und Nachdenklichkeit in den Augen des Heiligen. »Tja, Kao,
ich habe am Anfang gesagt, daß dies ein Fall für dich sei, aber damals wußte
ich noch nicht, wie recht ich hatte«, sagte der Himmlische Meister. »Bevor ich
dir erzähle, was ich weiß, hast du noch irgend etwas hinzuzufügen ?«
    »Allerdings. Fangen wir
hiermit an«, gab Meister Li zurück und zog den Käfig, den wir gefunden hatten,
unter seinem Gewand hervor und stellte ihn auf den Tisch.
    »Hübsch, und es sieht aus
wie das Ding, das Ma mit sich herumschleppte, aber was ist es ?« fragte der Himmlische Meister. »Verdammt. Ich hatte gehofft, das könntest du
mir erzählen, wenn du erst einmal einen Blick darauf geworfen hast«, sagte
Meister Li. »Es ist tatsächlich der Käfig, den du gesehen hast, und wir haben
ihn an der Stelle gefunden, die du angegeben hast. Interessant ist auch, daß Ma
Tuan Lin einen Reibedruck von einem Steinrelief angefertigt hatte, auf dem ein
solcher Käfig abgebildet ist. Auf der Rückseite stand verzeichnet, daß er
möglicherweise acht von der Sorte aufgespürt hat. Ich zog die naheliegende
Schlußfolgerung, daß er sie an Teilhaber in irgendeinem Geschäft weitergegeben
hat und verfolgte die Spur eines der Käfige bis zu Mao Ou-Hsi, und das ist auch
der Grund, warum wir hier sind. Zur gleichen Zeit, als der Mord geschah, wurde
der Käfig gestohlen, und der Dieb war ein zweites Ungeheuer. Es war eine Art
Affenmensch, ähnlich demjenigen im kaiserlichen Bestiarium, auf den der Kaiser
so stolz ist: Das Fell oder die Haut auf der Stirn silbergrau, leuchtend blaue
Wangen, eine scharlachrote Nase und ein gelbes Kinn. Tiefliegende, umschattete
Augen und ein hochintelligenter Blick .«
    Der Himmlische Meister
nickte. »Ein Mandrill, wenn man einmal von der Intelligenz absieht. Warum
nennst du ihn Affenmensch ?« Meister Li zuckte die
Achseln. »Soweit ich es beurteilen konnte, war sein Körper der eines
mittelgroßen, aber sehr kräftigen und sportlichen Mannes, und sowohl die Art,
wie er sich bewegte, als auch sein Augenausdruck waren menschlich .«
    Mit einem Nicken sagte der
Heilige: »Das Wesen weckt in mir keine Assoziation. Er hat sich mit Maos Käfig
davongemacht,
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