Die Insel der Mandarine
beiden Schritte zur Heilung recht interessant
finden wirst .«
Seine Worte erwiesen sich
als Untertreibung, auch wenn ich zuerst etwas enttäuscht war, weil ich mich
ausgeschlossen fühlte. Sie steckten die Köpfe mit Yu Lans Vater zusammen. Yen
Shih schrieb hastig so etwas wie einen Szenenentwurf nieder, dem er ein paar
eigene Vorschläge hinzufügte, und dann verkündeten sie, daß die Frau des
Gouverneurs von ungewöhnlich bösartigen Dämonen heimgesucht wurde, die ihre
höhere Seele stehlen wollten. Der Sonnenaufgang des folgenden Tages wurde als
Zeitpunkt für den entscheidenden Kampf gegen die Mächte der Finsternis
angesetzt. Ich erhielt die Anweisung, einen Beutel Reis und einen Sack Bienen
zu besorgen (ohne die geringste Ahnung zu haben, wozu sie gebraucht wurden),
dann in die Berge zu reiten und riesige Mengen Mohn zu sammeln. Ich durfte Yen
Shih helfen, im Audienzsaal des Gouverneurs verschiedene
Puppenspielervorrichtungen zu installieren, doch danach beschränkte sich meine
Aufgabe darauf, die Trommeln zu schlagen, und ich muß zugeben, daß es gut so
war. In einer verantwortungsvolleren Position hätte ich sicherlich den Kopf
verloren und etwas Dummes getan. Zu meiner Rechtfertigung will ich folgende
Beschreibung liefern:
DIE DOKTOREN UND DIE
DÄMONEN
SZENENBILD. Der
Audienzsaal des Palastes in der Morgendämmerung; die Vorhänge zugezogen, die
Luft zum Schneiden, tiefe Schatten. Fackeln brennen um einen Tisch herum, der
auf einem Podest am Ende des Raumes steht. Er ist von drei Seiten mit schweren
Teppichen verhängt. Aus Räucherschalen steigen schwere, duftende Rauchschwaden
auf, und der Geruch von Mohn ist atemberaubend. Eine Fledermaus torkelt ziellos
durch den Raum, prallt gegen ein Räuchergefäß, flattert auf dem Rücken umher
und landet auf dem Fußboden, wo sie sich - in der Überzeugung, daß es sich um
die Decke handelt - kichernd an einem Stuhlbein festklammert. Eine Trommel
ertönt in langsamem, eintönigem Rhythmus, und ein Zug von Würdenträgern
betritt, angeführt vom Großen Gouverneur vom Gänsetor, den Saal. Stille,
abgesehen von den Trommelschlägen. Husten und Füßescharren. Wieder Stille.
Erneut Husten und Füßescharren. Die Trommel verlangsamt ihren Rhythmus: da-dum,
da-dum, da-dum... dum... dum... dum... Totenstille, plötzlich springen der
Gouverneur und seine Würdenträger drei Fuß hoch in die Luft.
STIMME AUS DEM NICHTS:
Bringt... die... Leidende... zu... mir...
Die Gattin des Großen
Gouverneurs wird auf einer seidenen Sänfte hereingetragen, und die Würdenträger
springen zur Seite, um eine Gasse freizugeben. Sie ist eine
junge Frau von recht gutem Aussehen, kräftig gebaut, mit einer
beeindruckenden Ausstrahlung, aber unverkennbar krank. Die Sänfte wird die
Stufen zum Podest hinaufgetragen und den Anwesenden zugewandt auf dem Tisch
abgestellt. Die Träger verneigen sich und ziehen sich durch die Seitenvorhänge
zurück. Stille.
STIMME AUS DEM NICHTS: Als
die Dämonen der Krankheit als Männer und Frauen auf dieser Erde lebten,
begingen sie die 9999 Sünden. Dafür sind sie an die Neun Finsternisse gekettet.
Ihre dunklen Seelen sind den Qualen der Tausend Menschenalter anheimgefallen,
und um Wärme und Licht zu gewinnen, suchen sie reine Seelen, die ihnen im Reich
der Ewigen Finsternis als Lampen und Feuerstellen dienen sollen. Ihr, die ihr
die Seele dieser Frau rauben wollt, ich befehle euch, zeigt euch jetzt! Stille.
Dann ertönt ein leises Kichern, boshaftes Gelächter, und helle Lichtpunkte
flackern in der Dunkelheit zur Rechten der Trage auf. Ein Kindergesicht
erscheint, aber es ist ein bösartiges Kind, das Zähne hat wie eine Ratte und
schreckliche Augen. Immer mehr Kinder tauchen auf, bis es ihrer sieben sind.
Unter drohendem Gelächter nähern sie sich dem Podest.
STIMME AUS DEM NICHTS: Die
Hexe der Neun Ausgehöhlten Berge schickt ihre Enkelkinder, fürchtet sich aber,
sich selbst zu zeigen? So sei es.
Auf einen grellen Blitz folgt ein lauter Donnerschlag und eine Rauchwolke. Sie löst
sich auf, und sichtbar wird Meister Li, der zur Linken der Sänfte steht. Er
trägt einen hohen, mit Sternen übersäten Flügelhut, der daraufhinweist, welchen
Weg er einschlägt, wenn er die Götter um Rat fragt. Mit der Rechten hält er das
Pferd der Nacht, das er reitet, wenn er die Unterwelt besucht. Wenn es nicht
gebraucht wird, nimmt das Pferd die Gestalt eines Stockes an, mit eisernem
Pferdekopf als Knauf und eisernem Huf am unteren Ende. In der Linken trägt
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