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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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und
mißbilligend. »Ganz nett, aber selbstgefällig. Ich hoffe aus tiefstem Herzen,
daß du so etwas gestern nicht gemacht hättest, und im übrigen wären wir besser
da, wo wir meiner Vermutung nach sind .«
    Yen Shihs Blick veränderte
sich ganz allmählich, während die tanzenden Lichtfunken in seinen Augen
erloschen. Er atmete tief durch und senkte den Kopf in einer kleinlauten Geste,
die halb gespielt und halb echt zu sein schien.
    »Ihr habt natürlich recht,
und ich bin kein solcher Narr, daß ich das gestern getan hätte«, entgegnete er.
»Wir befinden uns an der Grenze zum Banditengebiet, und innerhalb von zwei
Stunden würde es kein Edelmann mehr wagen, uns mit seinem Privatheer zu folgen .«
    Meister Li murmelte etwas
Unverständliches, und dann wurde die Angelegenheit mit keinem Wort mehr
erwähnt, doch ich wäre nicht ganz aufrichtig, würde ich verschweigen, daß ich
beim Sammeln von Feuerholz viel Zeit darauf verwendete, einen Ast im Kampf
gegen einen unsichtbaren Edelmann zu schwingen. Die dritte Szene ist weder
besonders hübsch, noch besonders ruhmreich, und ich würde sie überhaupt nicht
erwähnen, wenn sich nicht herausgestellt hätte, daß sie folgenreich für uns
war. Genau wie Meister Li vorausgesagt hatte, trafen wir auf dem Weg durch das
Banditengebiet auf keinerlei Schwierigkeiten. Ein Puppenspieler ist bei
jedermann willkommen, und abgesehen davon begegnen die Gesetzlosen allen
Wundertätern, schöne junge Schamaninnen nicht ausgeschlossen, mit
abergläubischer Ehrfurcht. Ich gewöhnte mir bald an, mir keine Sorgen um Yu Lan
zu machen, und ihr Vater zeigte gewiß keinerlei Anzeichen dafür, daß er es
getan hätte. Am fünften Tag unserer Reise durch das Banditengebiet (das
offiziell nicht existiert), stolperten wir unverhofft über einen dieser
Zufälle, von denen Menschen, die keine Ahnung vom Leben haben, behaupten, daß
es sie nur in Büchern gibt. Es stellte sich heraus, daß im Lager des
Räuberhauptmanns, vor dem wir unsere Vorstellung geben wollten, der Mann als
Ehrengast weilte, den aufzusuchen wir im Begriff waren, nämlich der Große
Gouverneur vom Gänsetor (Yen-men).
    Bald erfuhren wir, daß er
sich mit gutem Grund dort aufhielt, da er sich vor kurzem mit der Tochter des
Räuberhauptmanns verheiratet hatte, was nach Meister Lis Worten von einem
klugen Kopf zeugte. Überdies kam uns zu Ohren, daß seine junge Frau, die in
Yen-men zurückgeblieben war, an einer geheimnisvollen Krankheit litt, die kein
Arzt bisher hatte heilen können. Es gelang uns, bei der Ankunft im Lager den
Eindruck zu erwecken, als wären wir zwei verschiedene Gruppen, die nur
miteinander reisten, um sich Gesellschaft zu leisten: Yen Shih und Nummer Zehn
der Ochse als Puppenspieler mit seinem Assistenten, Meister Li und Yu Lan als
Schamane und Schamanin, deren besondere Fähigkeit auf dem Gebiet des Heilens
lag. Sie hatten keine Mühe, den Großen Gouverneur zu beeindrucken, und so kamen
sie überein, daß sie den Versuch unternehmen sollten, seine junge Frau gesund
zu machen. Die Szene, die ich zu beschreiben habe, ist überaus demütigend. Ich
mußte die Zuschauer ohne Meister Lis und Yu Lans Hilfe in Stimmung bringen. Zu
diesem Zweck tat ich ein paarmal so, als sei ich im Begriff, im Kampf zu
unterliegen, nur um dann zum Schein sowohl die Nerven als auch meinen gesunden
Menschenverstand zu verlieren und den Einsatz zu verdoppeln. Die Stimmung im
Publikum wurde immer hitziger, und der Lärm lockte vornehme Zuschauer an. Als
ich aufblickte, erkannte ich, begleitet von einem Schwärm von Edelleuten und
einem bürgerlich gekleideten Mann, den Großen Gouverneur von Yen-men, der mich
mit einem Grinsen betrachtete.
    »Professioneller
Ringkämpfer, wie ?« sagte der Gouverneur leutselig.
»Trittst wohl als Mopp Mopp der Muli oder so was auf, he? Buddha, seht euch
diese schwellenden Dinger an! Mopp Mopp der Muskelprotz-Muli, he?«
    Sein Gefolge tat so, als
wären seine Worte der Gipfel des Humors, doch mir entging nicht, daß seine
Augen nicht mit dem Mund lachten, und in seiner Stimme war etwas Feiges und
Brutales, als er sich erbot, mir einen seiner Freunde als nächsten Gegner in den
Ring zu schicken. Der Freund erwies sich als der Mann im Bürgergewand, und
innerhalb einer einzigen Minute kam ich zu zwei Erkenntnissen. Die erste war
die, daß das vertrauliche Gebaren des Bürgers auf eine Beziehung zu dem Großen
Gouverneur hindeutete, die weit über eine Freundschaft hinausging, die zweite
war die, daß

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